Ministerpräsidentenkonferenz Bund und Länder ringen um Verteilung und Finanzierung für Kriegsflüchtlinge

Berlin · Bei den Ministerpräsidentenkonferenzen gab es lange Zeit kein anderes Thema als Corona. Das hat sich mit dem russischen Krieg in der Ukraine schlagartig geändert. Nun geht es vor allem um die Herausforderungen der Fluchtbewegung, aber auch die Energieversorgung kam zur Sprache. Viel Beratungsstoff bis spät in den Abend.

Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, NRW-Regierungschef Hendrik Wüst (2.v.l., CDU) eröffnet die Bund-Länder-Beratungen am Donnerstagnachmittag.

Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, NRW-Regierungschef Hendrik Wüst (2.v.l., CDU) eröffnet die Bund-Länder-Beratungen am Donnerstagnachmittag.

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

In den zurückliegenden gut zwei Jahren stand die Ministerpräsidentenkonferenz voll im Zeichen der Pandemiebekämpfung. Das ist diesmal anders. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Regierungschefs der Länder befassten sich mit den Folgen des Krieges in der Ukraine und den vielen Kriegsflüchtlingen. Es gibt Diskussionsbedarf an vielen Stellen.

Wie sollen die Flüchtlinge verteilt werden?

Die Verteilung der insgesamt 316.453 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, die bisher in Deutschland angekommen sind, läuft schleppend. Der Großteil der Geflüchteten kommt an den Drehkreuzen Berlin, Hannover und vereinzelt auch in Cottbus an. Bund und Länder wollen nun für eine „zügige und gerechte Verteilung“ sorgen, wie es in einem vorläufigen Beschlussvorschlag heißt, der unserer Redaktion vorliegt. Das neue Registrier- und Verteilungssystem FREE soll „zügig überall eingeführt und optimiert“ werden. FREE wurde speziell für die Verteilung der Ukraine-Flüchtlinge entwickelt. Doch nach ersten Testläufen gab es massive Kritik von den zuständigen Behörden in den Ländern. Bei Redaktionsschluss dauerten die Beratungen am Donnerstagabend noch an.

Warum läuft es so schleppend?

Die meisten Menschen aus der Ukraine können für 90 Tage ohne Visum einreisen und in dieser Zeit den Aufenthaltsort frei wählen. Das macht eine vollständige Erfassung quasi unmöglich. Spätestens nach den 90 Tagen müssen sich die Geflüchteten bei den Behörden registrieren. Es sei „unerlässlich“ die Ankommenden „rasch und unkompliziert“ zu registrieren, heißt es im Entwurf. Die Registrierung soll beschleunigt und optimiert werden, der Bund werde die Länder weiter personell und materiell unterstützen. Die Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), Gerda Hasselfeldt, sieht dennoch Fortschritte. „Die Aufnahme der Ukrainerinnen und Ukrainer in Deutschland funktioniert deutlich besser als in der Flüchtlingsbewegung der Jahre 2015 und 2016“, sagte Hasselfeldt unserer Redaktion. Doch es bedürfe weiterer Anstrengungen besonders bei der Betreuung von Menschen mit Behinderungen, Pflegebedürftigen, Traumatisierten und Waisenkindern. Hier würden werden mehr Aufnahmekapazitäten in speziellen Einrichtungen benötigt, so die DRK-Präsidentin.

Wer trägt die Kosten?

Im Vorfeld war die Frage der Flüchtlingskosten „und wie wir uns die teilen“, so ein Insider, sehr strittig zwischen Bund und Ländern. Dem Vernehmen tagten der Bund und eine Arbeitsgruppe aus acht Ländern fünf Mal, um einen Kompromiss zu erzielen. „Es geht natürlich um viel Geld“, so der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, NRW-Regierungschef Hendrik Wüst (CDU). Finanziert werden muss die Aufnahme in Schulen und Kitas, medizinische Versorgung, Verpflegung und Unterbringung. Aus Kreisen der Länder war zunächst eine Summe von 1000, dann 1400 Euro pro Flüchtling und pro Monat angesetzt worden. Im Papier heißt es, der Bund bekenne sich zu seiner Mitverantwortung bei der Finanzierung. Die Ausgestaltung zog sich bis in den späten Abend hin.

Welche Folgen des Krieges spielten noch einen Rolle?

Auch die hohen Energiepreise und die Versorgungssicherheit waren Thema, allerdings bleibt die Beschlussvorlage hier denkbar vage. Für Privathaushalte und Wirtschaft sei es von „hoher Bedeutung“, dass Energie bezahlbar bleibe. Über die bereits beschlossenen Entlastungspakete hinaus ist man sich einig, dass „gegebenenfalls weitere Maßnahmen notwendig“ seien. Um sich schnell unabhängig von russischen Importen zu machen, wollen Bund und Länder sich für den schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien und für mehr Energieeffizienz einsetzen. Im Papier heißt es: „Dabei sind die Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie die Bereitstellung der für den Ausbau der erneuerbaren Energien benötigten Flächen durch Bund und Länder von großer Bedeutung.“ Auch komme der heimischen Ernährungs- und Landwirtschaft eine strategische Bedeutung zu, „denn auch hierzulande gilt es, den starken Anstieg der Lebensmittelpreise abzufedern“.

War Corona noch ein Thema?

Die Corona-Lage in Deutschland spielte offenbar keine Rolle. Im Vorfeld hatten Ländervertreter mit Kritik an Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und dessen Kurs bei den Themen Isolation und Quarantäne aber nicht gespart. Es hieß, der Bund wolle seine Corona-Politik jetzt alleine machen. Im Beschlussentwurf behandelt nur einer von 19 Punkten das Thema Corona – und darin geht es ausschließlich um die Ukraine-Flüchtlinge. Man wolle „auch Schutzsuchenden schnelle und einfache Impfangebote“ machen, heißt es in dem Papier. „Informationen über Test- und Impfangebote werden daher auch in ukrainischer Sprache zur Verfügung gestellt“, die Länder würden über die Impfzentren und mobilen Impfteams zeitnahe und passgenaue Impfangebote unterbreiten. Die Impfzentren und mobilen Impfteams will der Bund nun auch über den 31. Mai hinaus bis zum Jahresende mit einem Anteil von 50 Prozent finanziell unterstützen. Hierfür hat er in diesem Jahr bisher monatlich knapp 100 Millionen Euro erstattet.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort