Neujustierung der Union Selbstinszenierung und schnittige Positionen: CSU setzt erste Duftmarken zum Jahresauftakt

Analyse | Berlin · Zum Jahresauftakt bekommt die CSU die Pandemie hautnah zu spüren. Wegen Corona-Erkrankungen in der Landesgruppe fällt die traditionelle Auftaktklausur vorerst flach. Dennoch stecken die Berliner Christsozialen erste Forderungen ab und CSU-Chef Markus Söder setzt sich bildstark in Szene.

 Neues Jahr, neue Eintracht? CSU-Chef Markus Söder und der designierte CDU-Chef Friedrich Merz inszenieren den „Neustart“ der Schwesterparteien am Kirchsee südlich von München.

Neues Jahr, neue Eintracht? CSU-Chef Markus Söder und der designierte CDU-Chef Friedrich Merz inszenieren den „Neustart“ der Schwesterparteien am Kirchsee südlich von München.

Foto: dpa/Peter Kneffel

Die CSU, Meisterin der Selbstinszenierung, liebt die schönen Bilder: die prächtige Kulisse des Klosters Seeon etwa, eingebettet in bayerische Winteridylle. In guten Zeiten starte die CSU-Landesgruppe im Bundestag an diesem Ort mit ihrer traditionellen Auftaktklausur ins neue Jahr und sandte von dort politische Duftmarken in die Republik aus. Doch schon zum zweiten Mal in Folge fällt das christsoziale Aufwärmprogramm in Oberbayern flach. Wegen mehrerer Corona-Fälle musste die Landesgruppe ihre Klausur verschieben, auch ihren Vorsitzenden Alexander Dobrindt hat es erwischt. Noch im Januar soll die Tagung in Berlin nachgeholt werden, genaue Zeit und Ort offen.

Ausgebremst und angeschlagen startet der Berliner CSU-Ableger also ins politische Jahr, als wären die Umstände nicht schon haarig genug. Das Wahldebakel vom 26. September steckt noch in den Knochen. Unionsfraktionsvize Andrea Lindholz (CSU), spricht von einer „gedanklichen Umstellung“ in der Opposition. „Wir können zwar Vorschläge einbringen, aber dringen möglicherweise nicht durch, weil wir keine Mehrheit mehr haben.“ Trotzdem, die Union sei gut aufgestellt und habe den richtigen Weg eingeschlagen. Als Opposition werde man „konstruktiv und kritisch“ sein, so Lindholz.

Die Reaktion auf die neue Sitzordnung im Bundestag ist mit kritisch noch milde umschrieben. Von einer „großen parlamentarischen Frechheit“ ist in Unionskreisen erbost die Rede. Die Ampel-Fraktionen hatten beschlossen, dass die FDP im Parlament in die Mitte rückt und CDU/CSU nun neben der AfD sitzen. Das sei ein Einblick in den Charakter der neuen Regierungsparteien, heißt es. Ampel-Vertreter, allen voran von FDP und SPD, würden sich geringschätzig gegenüber der Union verhalten und mit „richtig dicken Eiern“ herumlaufen. Es ist nicht zu überhören: Das Leid ist groß.

Doch die CSU will nicht klein beigeben und steckte trotz der verschobenen Klausur erste Forderungen ab. Mit einer gesetzlichen Inflationsbremse, einem staatlich garantierten Positivzins für die Altersvorsorge und mehr Förderung für Sparer will die CSU gegen die Geldentwertung angehen. Denn „ein Ende der Teuer- und Entwertungs-Spirale“ sei nicht in Sicht, heißt es in Beschlussentwürfen zur Klausurtagung, die unserer Redaktion vorliegen. Was die CSU unter „konstruktiv und kritisch“ versteht, lässt sich besonders in Haushaltsfragen beobachten. „Die links-gelbe Koalition versucht mit Schuldenakrobatik das Grundgesetz zu umgehen“, heißt es in den Entwürfen. Die CSU arbeitet sich am 60-Milliarden-Nachtragshaushalt von Finanzminister Christian Lindner (FDP) ab. Nun plant man eine Klage gegen den „Schummel-Haushalt“ vor dem Verfassungsgericht.

Während die Landesgruppe also mit provokanten Positionen von sich reden macht, tritt Parteichef Markus Söder in Bayern wieder bildstark auf. Nach der vergeigten Bundestagswahl und den Dauerreibereien mit Noch-CDU-Chef Armin Laschet hatte er sich in Zurückhaltung geübt. Doch 2022 bringt nicht nur einen neuen CDU-Chef, sondern auch Söders Selbstinszenierung zurück: Als Fotokulisse für den Antrittsbesuch von Friedrich Merz in Bayern diente der Kirchsee südlich von München. Im Hintergrund das Alpenpanorama, im Vordergrund zwei fest entschlossene Parteichefs. Als „Neustart“ will Söder das verstanden wissen, CDU und CSU würden sich „wieder eng“ zusammenschließen, verbreitete er in den sozialen Netzwerken.

Söder weiß genau, dass es Versöhnungsarbeit zu leisten gibt, auch in den eigenen Reihen. Vom Parteichef werde „immer eine starke Führungsrolle gefordert“, sagt Fraktionsvize Lindholz. Gerade in der Pandemiebewältigung würden viele Entscheidungen nach ihm ausgerichtet werden. „Klar, damit macht man es nicht allen recht, es gibt auch intern Kritik“, sagt die CSU-Politikerin. Trotzdem sei Söder „absolut unangefochten“. Bayern habe mit der CSU „eine gute Regierung, unabhängig vom Regierungswechsel in Berlin“, sagt Lindholz.

Allein die Tatsache, dass Söders Rückhalt nun vielfach betont wird, zeigt, dass es auch Zweifel gibt. In Bayern blickt die CSU bereits auf die Landtagswahl 2023 voraus, und in Berlin wird es schwieriger, sich auf der Oppositionsbank Meriten zu verdienen. Viele schöne Bilder, so hofft man, sollen helfen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort