Zahlen der Bertelsmann-Stiftung Die Lehre wird bei Abiturienten immer beliebter

Berlin · Während es mehr Abiturienten auf den Ausbildungsmarkt zieht, verschlechtern sich die Chancen für Hauptschüler und junge Menschen ohne Abschluss. Zu dem Ergebnis kommt eine Studie der Bertelsmann-Stiftung. Der Autor warnt davor, dass Jugendliche „aus dem System fallen“.

 Immer mehr Abiturienten entscheiden sich für eine Berufsausbildung.

Immer mehr Abiturienten entscheiden sich für eine Berufsausbildung.

Foto: dpa/Maurizio Gambarini

Während die Abiturientenquote in den Neunzigerjahren noch zwischen 20 und 30 Prozent lag, erwirbt mittlerweile jeder zweite Schüler in Deutschland die Hochschul- oder Fachhochschulreife. Das hat auch Folgen für den Ausbildungsmarkt: Immer mehr Abiturienten streben eine Lehre an. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Untersuchung im Auftrag der Bertelsmann Stiftung.

Der Anteil der Schulabgänger mit Hochschulreife, die eine duale oder schulische Ausbildung beginnen, ist demnach binnen zehn Jahren von 35 Prozent auf 47,4 Prozent gestiegen. Vor der Corona-Pandemie im Jahr 2019 war der Anteil sogar noch etwas höher (48,5 Prozent). „Es ist erfreulich, dass sich mehr Abiturienten für eine Berufsausbildung entscheiden, gerade auch mit Blick auf den Fachkräftemangel in Deutschland“, sagte Clemens Wieland, Ausbildungsexperte der Bertelsmann Stiftung, unserer Redaktion.

Von einer mangelnden Attraktivität der Berufsausbildung könne also nicht die Rede sein. „Problematisch ist, dass es so viele Jugendliche gibt, die entweder auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz leer ausgehen und in Überbrückungsmaßnahmen landen oder gänzlich aus dem System fallen. Da liegt ein großes, ungehobenes Potential für die vielen suchenden Unternehmen“, sagte Wieland.

Bei Schulabgängern mit mittlerem Abschluss, etwa von der Realschule, seien die Übergangsquoten in die Ausbildung in den vergangenen 15 Jahren bei etwa 80 Prozent relativ stabil geblieben, so die Studie. Jugendliche mit Hauptschulabschluss hätten es hingegen immer schwerer, einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Bei ihnen verringerte sich der Anteil derjenigen, die eine Berufsausbildung begannen, zwischen 2011 und 2021 um ein Fünftel.

Noch schwieriger sei die Lage für Jugendliche ohne Abschluss, die sogenannten NEETs (Not in Employment, Education or Training). 2021 gab es in der Gruppe der 15- bis 24-Jährigen 630.000 Personen, die zu dieser Gruppe zählten, im Jahr 2019 waren es 492.000. Dabei habe Corona auch eine entscheidende Rolle gespielt: Schnuppertage, Praktika, Ausbildungsmessen und die Beratung durch die Arbeitsagentur fielen aus.

„Das ist ein Grund dafür, warum eine wachsende Zahl junger Menschen weder in Schule noch in Ausbildung oder Beschäftigung ist. Gerade für Jugendliche mit niedriger Schulbildung sind diese Orientierungsangebote sehr wichtig“, sagte Wieland. Zudem würden viele Berufsfelder anspruchsvoller werden. Das führe dazu, dass die Chancen für Ungelernte auf dem Arbeitsmarkt sinken, so der Autor der Studie.

Im Jahr 2020 lag die Quote der sogenannten Ungelernten im Alter von 20 bis 35 Jahren laut Berufsbildungsbericht bei 15,5 Prozent und damit bei mehr als 2,3 Millionen. Bei jungen Menschen ohne Schulabschluss in dieser Altersgruppe liegt die Ungelerntenquote sogar bei 64,4 Prozent und selbst bei denjenigen mit Hauptschulabschluss liegt sie noch bei mehr als einem Drittel (35,8 Prozent).

Um dem entgegenzuwirken, fordert die Bertelsmann Stiftung eine Ausbildungsgarantie. „Nur so können wir die Diskrepanz zwischen den vielen unbesetzten Stellen und der großen Zahl Suchender reduzieren. Wichtig sind dabei auch individuelle Begleitungs- und Unterstützungsangebote, damit nicht nur der Einstieg in Ausbildung gelingt, sondern auch der Abschluss erreicht wird. Die Bundesregierung ist nun gefordert, das Versprechen umzusetzen“, so Wieland.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort