Debatte um Öffnungen Länder wollen im März Corona-Maßnahmen zurückfahren

Berlin · Mehrere Bundesländer wollen bei der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz weitreichende Lockerungen der Corona-Maßnahmen für März beschließen. Zustimmung kommt aus der Wirtschaft, Gesundheitsexperten raten weiter zur Vorsicht.

«Hurra! Wir haben wieder geöffnet» steht auf einem Schild unterhalb der Speisekarte einer Gaststätte im hessischen Münzenberg. (Archiv)

«Hurra! Wir haben wieder geöffnet» steht auf einem Schild unterhalb der Speisekarte einer Gaststätte im hessischen Münzenberg. (Archiv)

Foto: dpa/Frank Rumpenhorst

Nach wochenlang steigenden Corona-Infektionszahlen in Deutschland kommen bundesweite Lockerungen bei Alltagsbeschränkungen konkret auf die Agenda. Die wissenschaftlichen Prognosen zeigten, dass der Höhepunkt der Omikron-Welle in Sicht sei, sagte Kanzler Olaf Scholz (SPD) am Freitag im Bundesrat. „Das erlaubt uns, beim Bund-Länder-Treffen nächste Woche einen ersten Öffnungsschritt und dann weitere für das Frühjahr in den Blick zu nehmen.“ Genauere Angaben machte er vorerst nicht.

Scholz betonte mit Blick auf mögliche Öffnungen, man werde sich wie bisher von wissenschaftlichen Expertisen leiten lassen. „Denn wir wollen unseren Erfolg jetzt nicht aufs Spiel setzen.“ Zu konkreten Ansatzpunkten hielt sich die Regierung vorerst bedeckt. Am Montag tagen die Gesundheitsminister.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) warnte vor seiner Ansicht nach zu weitgehenden Lockerungen der Corona-Maßnahmen. Man erwarte den Höhepunkt der Omikron-Welle Mitte bis Ende Februar, sagte der SPD-Politiker am Freitag in Berlin. Es gebe „keinen Raum für massive Lockerungen zu diesem Zeitpunkt“. Überzogene Lockerungen würden die Pandemie nur verlängern. Dies spreche nicht gegen maßvolle Schritte, die bei der Bund-Länder-Runde am 16. Februar beschlossen werden sollen.

Mehrere SPD-geführte Länder haben sich bereits dafür ausgesprochen, ab März stufenweise zu lockern. Die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer (SPD), sagte unserer Redaktion: „Unsere Prognosen deuten darauf hin, dass wir Mitte Februar den Höhepunkt der Omikron-Welle erreichen werden. Die Situation in den Krankenhäusern wird noch etwas länger angespannt bleiben.“ Deswegen sei Corona nicht beendet und Vorsicht weiterhin geboten, um keine Rückschläge zu erleben. „Aber die Menschen erwarten zurecht, dass wir dann auch lockern. Deswegen werde ich mich bei der Ministerpräsidentenkonferenz am Mittwoch dafür einsetzen, dass wir Regelungen für Großveranstaltungen und Einzelhandel bundesweit angleichen“, sagte Dreyer. „Vielerorts wurde 2G im Handel ja bereits gestrichen. Ab Anfang März sollten wir stufenweise  Corona-Beschränkungen reduzieren.“ Angefangen bei den Kontaktbeschränkungen für Geimpften und einem Ende von 2G-Plus in der Gastronomie. „Wichtig ist, dass die Länder die Möglichkeit behalten, bei örtlichen Ausbrüchen schnell und beherzt reagieren zu können“, sagte sie.

NRW-Ministerpräsident Wüst zeigte sich kritisch. „Corona werden wir perspektivisch nur kontrollieren können, wenn weltweit bewährte Schutzmaßnahmen wie Maskenpflicht, Abstandsregeln und Hygienekonzepte weiter möglich sind - solange sie eben leider notwendig sind", sagte er dem „Spiegel“. Die Bundesregierung solle bereit sein, "die eigene Fehleinschätzung aus dem Beginn ihrer Arbeit zu korrigieren", sagte der CDU-Politiker und Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz mit Blick auf die Frist vom 19. März. „Corona wird nicht plötzlich verschwinden, weil es politisch gewünscht ist.“

Mehrere Gesundheitsexperten mahnen zur Vorsicht. Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, sagte: „Die Öffnungsdebatte muss und soll geführt werden, aber natürlich immer mit Augenmaß. Insbesondere die Normalstationen verzeichnen weiterhin steigende Belegungszahlen bei Covid-19-Patienten.“ Der  Scheitelpunkt der Omikron-Welle könnte bereits in wenigen Tagen erreicht sein. Deshalb sei es richtig, wenn sich die Ministerpräsidentenkonferenz in der kommenden Woche Pläne entwerfe, wann Beschränkungen im Handel, in der Kultur, im Sport und vor allem in der Bildung eintreten könnten. „Solche Pläne müssen sich immer an der Infektionslage orientieren“, sagte Gaß.

Auch Ärztepräsident Klaus Reinhardt forderte Bund und Länder auf, das Ende einschränkender Corona-Maßnahmen wie der 2G-Regel im Handel oder der 2Gplus-Regel in der Gastronomie bereits kommende Woche vorzubereiten. „Wegen der wesentlich leichteren Krankheitsverläufe der aktuellen Omikron-Variante ist es sicher angemessen, mögliche Rücknahmen einschränkender Corona-Maßnahmen vorzubereiten“, sagte Reinhardt.

Insbesondere Wirtschaftsverbände greifen das auf und pochen auf schnellere Lockerungen. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) forderte einheitliche Signale in der kommenden Woche. „Jetzt ist es wichtig, dass die Regierungschefs von Bund und Ländern klare Signale für eine einheitliche Öffnungsstrategie senden“, sagte DIHK-Präsident Peter Adrian. „Jede Idee ist willkommen, damit die betroffenen Betriebe in einen besseren Frühling starten und danach einen ,Super-Sommer´ erleben. Verkaufsoffene Sonntage oder mehr Außenflächen für die Gastronomie ab Frühjahr gehören dazu“, sagte Adrian.

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