Ein Netz der Hilfe

Seit Jahren tut sich die Politik schwer, wenn es darum geht, überforderten Eltern zu helfen und Kinder besser vor Verwahrlosung oder Misshandlung zu schützen. Jetzt will man handeln.

Berlin. Beim so genannten Kindergipfel der Ministerpräsidenten mit der Bundesregierung "gab es eine Übereinkunft zwischen Bund und Ländern, von der ich glaube, dass sie Maßstäbe setzt", so eine stolze Bundeskanzlerin Angela Merkel. Keine Einigung erzielte man jedoch beim Thema "Kinderrechte ins Grundgesetz".Künftig verbindliches "Einladewesen"

Laut Merkel wollen Bund und Länder nun ein "Netz der Hilfe" einrichten: aus Hebammen, Kinderärzten, Jugendämtern und Polizei. Einigkeit herrschte, dass es ein verbindliches "Einladewesen" für Vorsorge-Untersuchungen geben wird - Vorbild soll das Saarland sein. Zwischen dem zweiten und vierten Lebensjahr eines Kindes wird zudem eine weitere Vorsorge-Untersuchung hinzugefügt werden, um die bisher zu große zeitliche Lücke zwischen den Arztbesuchen zu überbrücken. "Ein wirklicher Fortschritt", so Merkel. Überdies wollen Bund und Länder den Ämtern, Ärzten und Kommunen den Datenabgleich erleichtern und den Familiengerichten die Möglichkeit geben, künftig schneller zum Schutz von Kindern eingreifen zu können. Einiges davon ist in den Ländern schon Realität und wird von den Kommunen praktiziert. Der Druck auf die Teilnehmer des zum "Kindergipfel" hochstilisierten Routinegesprächs war groß angesichts der Fälle von misshandelten oder sogar getöteten Kindern in den vergangenen Wochen. Prompt flatterten gestern noch einmal von allen Seiten Vorschläge zum besseren Schutz des Nachwuchses auf den Tisch: So fuhren die Ministerpräsidenten nach ihrer Vorbesprechung mit einem gemeinsamen Katalog ins Kanzleramt; dort erwartete sie Angela Merkel mit einem Aktionsplan, den sie mit dem hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) entworfen sowie mit Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) abgestimmt hatte - Merkels Versuch, aus der Defensive zu kommen und dem beim Thema Kinderschutz agilen Kurt Beck den Schneid abzukaufen. Der SPD-Chef hatte vor einigen Tagen schon einen Sieben-Punkte-Plan vorgelegt. Koch wiederum saß mit im Merkel-Boot, um als schwächelnder Wahlkämpfer Rückenwind zu erhalten. Kein Wort verlor die Kanzlerin zu Beginn der Pressekonferenz über den nach wie vor tobenden Streit darum, ob Kinderrechte ins Grundgesetz aufgenommen werden sollen. "Das war heute die Forderung aller SPD-geführten Länder", betonte der Regierende Bürgermeister Berlins, Klaus Wowereit. "Wir hoffen, dass da noch eine Umkehr kommt", kommentierte er die Ablehnung der Unionsseite. Der Streit ist somit noch nicht zu Ende - und dürfte nun auch in den Landtagswahlkämpfen verstärkt eine Rolle spielen. extra Streit über Kinderrechte: Klar: Kinder haben Rechte, und die muss man schützen. Darin sind sich wohl fast alle einig. Trotzdem ist über Kinderrechte ein Streit ausgebrochen. Sollen sie extra in unserem wichtigsten Gesetz, dem Grundgesetz, stehen? Das wollte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwoch mit den Länderchefs besprechen. Und zwar beim Kindergipfel in Berlin. Aber was spricht eigentlich dafür, solche Rechte in die Verfassung zu schreiben? Und was dagegen? Dafür: Viele, die fordern, dass Kinderrechte in die Verfassung kommen, sagen: Erstens zeigt das deutlich: Kinder sind uns wichtig und brauchen besonderen Schutz. Zweitens müssten sich dann die Regierung und die Behörden besser um Kinder kümmern. Und dafür auch Geld ausgeben. Dagegen: Andere meinen, es ist nicht nötig, dass Kinderrechte extra im Grundgesetz stehen. Die Verfassung schützt Kinder schon jetzt genug, finden sie. So dürfen Behörden bereits eingreifen, wenn Eltern ihre Kinder schlecht behandeln. Statt also das Grundgesetz zu ändern, müsse es praktische Hilfe geben, meint diese Seite. Für konkrete Hilfen ist die andere Seite aber auch. Und noch eine Meinung: Einige finden, dass der Streit eine Show ist. Das heißt: Man redet viel darüber, damit alle sehen, dass man sich Gedanken über Kinder macht. Aber wirklich getan werde nichts.

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