Ticken im Eulen- und Lerchentakt

TRIER. Alle halbe Jahre das gleiche Spiel: Gerade, so scheint es, hat sich der Körper an Sommer- oder Winterzeit gewöhnt, da schlägt schon wieder die Umstellung zu: Zack, eine Stunde weniger Ende März, zack, eine Stunde mehr Ende Oktober. Ist das ungesund? Die Chronobiologie sagt "jein".

 Der kleine Andreas putzt diese Sonnenuhr in Wehlen, damit auch die Winterzeit gut ablesbar ist. Die Horizontal-Sonnenuhr zeigt sowohl Sommer- wie auch Winterzeit an.Foto: Uwe Praus

Der kleine Andreas putzt diese Sonnenuhr in Wehlen, damit auch die Winterzeit gut ablesbar ist. Die Horizontal-Sonnenuhr zeigt sowohl Sommer- wie auch Winterzeit an.Foto: Uwe Praus

Für Eulen brechen in der Nacht zum Sonntag paradiesische Zeiten an: Zumindest einige Tage lang tickt ihre innere Uhr im gleichen Rhythmus wie die Zeitmesser auf Armbändern, an Bahnhöfen und an den Wänden von Büros und Geschäften. "Eulen", das sind nach den Kategorien der Zeit-Biologen Menschen, die am liebsten zu später Nachtzeit ins Bett gehen und dafür morgens nur schwer aus den Federn kommen. "Die meisten Menschen ticken langsamer, als es die Uhren ihnen vorgeben", sagt Till Roenneberg, Münchener Chrono-Biologe und erster Professor dieser relativ jungen Wissenschaft. Seit etwa 50 Jahren forschen Mediziner und Biologen daran, was den Rhythmus eines jeden Lebewesens bestimmt. Die Erkenntnis: Nicht nur das Tageslicht lässt den Körper müde und wach werden, beeinflusst den Stoffwechsel oder die Körpertemperatur. Vielmehr ist auch genetisch bedingt, wie schnell oder langsam der Takt eines jeden Körpers schlägt. Das fanden Forscher in den 60er Jahren heraus, als sie einige Probanden für mehrere Wochen in abgedunkelte Bunker sperrten. Kein Tageslicht verriet ihnen die Uhrzeit. Dann wurde beobachtet, wie lange die Abgeschirmten wach blieben, wann sie aßen, zur Toilette gingen. Das Ergebnis: Manche Probanden - die so genannten "Lerchen" - wachten eine Stunde früher auf als andere - die "Eulen". Sie alle hatten eine innere Uhr. "Diese innere Uhr braucht etwa vierundzwanzigeinhalb Stunden pro Tag statt der tatsächlich vorhandenen 24", sagt Peter Spork, der ein Buch zum Thema Chrono-Biologie verfasst hat. Somit gehe der Mensch also jeden Tag eine halbe Stunde "nach". Bei der Zeitumstellung passiere nun Folgendes: Im Sommer verliere der Körper zusätzlich zu der ohnehin schon fehlenden halben Stunde eine weitere Stunde, die er in der Nacht zur Zeitumstellung und in den folgenden Tagen natürlich zu spüren bekomme. Umgekehrt bekomme man bei der jetzt anstehenden Umstellung von Sommer- zurück zur "normalen" mitteleuropäischen Zeit nur eine halbe Stunde geschenkt. Das Problem an der Sommerzeit: "Wenn es länger hell ist, ist der Körper aufgedrehter und kommt abends nicht zur Ruhe. Die Eulen unter den Menschen gehen noch später zu Bett" , erklärt Peter Spork. Die Folge: Größtenteils unausgeschlafene Morgenmuffel quälen sich zur Arbeit und machen mehr Fehler. Dieses Phänomen ist mit dem Anbrechen der Winterzeit nicht mehr so ausgeprägt. Eine Chance also für "Eulen", die "zurückgeschenkte" Stunde dafür zu nutzen, wirklich auch einmal eine Stunde früher ins Bett zu gehen und am nächsten Tag früher fit zu sein. "Alles in allem: Die Zeitumstellung hat nicht so große Auswirkungen auf den Körper wie eine mehrstündige Flugreise mit Zeitverschiebung und dementsprechendem Jetlag oder jahrelanger Schichtdienst. Da kommen viel eher gesundheitliche Probleme auf", sagt Peter Spork. Denjenigen, die sich an den kürzeren und dunkleren Tagen müde fühlen - eine natürliche Reaktion des Körpers, weil mehr Melatonin ausgeschüttet wird, das dem Körper sagt: "Jetzt ist es Nacht" - raten die Chronobiologen: Viel frische Luft und Licht gleich am Morgen und Helligkeit am Arbeitsplatz. Buchtipp: Peter Spork: Das Uhrwerk der Natur. Chronobiologie - Leben mit der Zeit. rororo, 218 Seiten, 8,90 Euro.

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