Trumps entfesselte Flucht in den Wahlkampfmodus

Washington · Für den neuen amerikanischen Präsidenten ist es nicht gut gelaufen in den vergangenen vier Wochen. Auf große Ankündigungen folgten herbe Niederlagen. Jetzt flüchtet er in die Offensive — mit einer Pressekonferenz, der man ruhig den Stempel "denkwürdig" aufdrücken darf.

 US-Präsident Donald Trump ruft am Donnerstag im East Room des Weißen Hauses in Washington während einer Pressekonferenz einen Reporter auf. Foto: dpa

US-Präsident Donald Trump ruft am Donnerstag im East Room des Weißen Hauses in Washington während einer Pressekonferenz einen Reporter auf. Foto: dpa

Foto: Pablo Martinez Monsivais (AP)

Washington (dpa) Was war das? Ein Wahlkampfauftritt? Eine Bilanz? Ein Gesprächsangebot? Eine erneute Kriegserklärung an die Medien? Donald Trump hat am Donnerstag - kurzfristig und überraschend anberaumt - eine Pressekonferenz gegeben, wie sie das Weiße Haus noch nicht erlebt hat. Hastige Erklärungsversuche, harte Angriffe, wirre Phrasen, dann wieder kurze Momente ernsthafter Nachdenklichkeit und väterlicher Gönnerhaftigkeit.
Die vergangenen Wochen müssen an Donald Trump gezehrt haben. Ein vor Gericht durchgefallener Einreise- und Flüchtlingsstopp, eine Dauerdebatte um die Russland-Kontakte des inzwischen geschassten Sicherheitsberaters Michael Flynn, zunehmende Kritik aus der eigenen Partei, verheerende Umfragewerte: Donald Trumps erste vier Wochen im Weißen Haus waren ein einziger Fehlschlag, von Chaos ist die Rede, von einem Hauen und Stechen innerhalb seines innersten Zirkels, von Ratlosigkeit in den teils noch immer führungslosen Ministerien.
Trump wirkt wie ein der Realität längst entrückter Märchenkönig, wenn er sagt: "Diese Regierung arbeitet wie eine gut abgestimmte Maschine." Die Bilanz sei makellos, kaum eine Regierung habe jemals so schnell so viel geschafft wie seine. Schließlich habe er ein Chaos geerbt, das es nun aufzuräumen gelte. Menschen, die sich auskennen im Weißen Haus, zeichnen ein anderes Bild: Trump und seine Leute haben das Chaos entfacht. Und inmitten dessen geriert er sich wie ein strenger Herrscher, der sich nicht sehr erfolgreich um Milde bemüht. Er wirkt bei der Pressekonferenz völlig entfesselt, klingt in Teilen wieder ganz so, als stünde die Präsidentschaftswahl erst noch bevor.
Eigentlich ist er hergekommen, weil er einen neuen Kandidaten für das Arbeitsministerium präsentieren musste. Der ursprüngliche Anwärter Andy Puzder hatte seine Kandidatur zurückgezogen, weil ihm eine Niederlage im Senat sicher gewesen wäre. Es war einer von mehreren Rückschlägen, die Trump plagten. Aber darum geht es nur kurz. Der Präsident ist hier, um abzurechnen. Mit den Medien, mit seinen Kritikern. Mit all jenen, die sagen, es laufe nicht rund.
Nur: Trumps erste vier Wochen waren alles andere als reibungslos. Rasch wollte er Ernst machen mit seinen Wahlkampfversprechen, verfügte gleich zu Beginn, dass Menschen aus sieben mehrheitlich islamisch geprägten Ländern nicht mehr ins Land kommen dürfen. Aber das Dekret war mit der heißen Nadel gestrickt. Gerichte wiesen Trump deswegen in die Schranken.
Sein Nationaler Sicherheitsberater Michael Flynn stürzte über ein Telefonat mit dem russischen Botschafter. Es ging dabei um die Sanktionen gegen Russland, das steht nun fest - aber Flynn hat lange das Gegenteil behauptet. Trump sieht sich nun mit der Frage konfrontiert, was er wann wusste und ob Flynn eigenständig oder auf Anweisung handelte. Aus der Zeit nach der Watergate-Affäre ist der Satz überliefert, die Vertuschung sei schlimmer als das eigentliche Verbrechen. Es ist ein Satz, den so einige in Washington derzeit wieder zitieren.
Trump wagt sich in die Offensive, und er tut das so, wie er es auch im Wahlkampf immer wieder gemacht hat: Er wischt alles weg. Das eigentliche Problem seien die gesetzeswidrigen Indiskretionen, die ständigen "leaks", für die er die Geheimdienste verantwortlich macht. Die Medien machten sich mitschuldig, weil sie das alles verbreiteten. Die Berichte, Mitglieder seines Wahlkampfteams hätten Kontakte zu russischen Vertretern unterhalten, nennt der Präsident "fake news".
Er spricht nicht zu den Journalisten im Raum, er spricht über sie, das eigentliche Publikum sind seine Anhänger draußen im Land. Das macht er selbst zu Anfang klar, als er sagt, er wolle sich direkt an das amerikanische Volk wenden, weil die Medien nicht die Wahrheit berichten wollten und würden.
Dann aber der Bruch: Plötzlich geht er in den Nahkampf, lässt fast genüsslich Nachfragen zu. Jim Acosta vom Sender CNN, dem er noch vor kurzem das Wort abschnitt, darf mehrmals nachfragen. Trump liefert sich Wortgefechte, an einigen Stellen erklärt er, wird für seine Verhältnisse fast philosophisch. Mal ist er auf Augenhöhe mit den Reportern, mal erhebt er sich über sie. Wie ein strenger Lehrer weist er eine Journalistin an, sich beim Stellen ihrer Frage zu erheben. Dann wieder lobt er andere für den Tiefgang ihrer Fragen. Trump selbst spielt mit den Fakten, verdreht sie, wie es ihm passt.
Es ist ein denkwürdiger Auftritt. Der CNN-Journalist Brian Stelter meint anschließend, Trump lebe in einer Realityshow-Show, die er selbst kreiert habe.

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