Eine harte Nuss

Stadtkyll · Bei einer Einwohnerversammlung in Stadtkyll hat die Verbandsgemeinde Obere Kyll über den aktuellen Stand der Fusionsverhandlungen informiert. Die Frage, ob man die Zukunft eher in Prüm oder Hillesheim und Gerolstein sieht, sorgte für eine angeregte Diskussion.

Stadtkyll. Nein, zu einem eindeutigen Votum konnten sich die rund 60 Stadtkyller an diesem Abend nicht durchringen. Zu komplex ist die Frage, ob man sich bei der Kommunalreform in Richtung Prüm oder Hillesheim und Gerolstein orientiert.
Das wird beim Vortrag von Arno Fasen, Fachbereichsleiter Organisation und Finanzen der Verbandsgemeinde (VG) Obere Kyll, über den Stand der Fusionsverhandlungen mehr als deutlich. Was wird aus der Grundschule Stadtkyll? Was aus dem Freibad, was aus dem Zweckverband Kronenburger See und der Tourismusregion Oberes Kylltal? Fragen, die schon bei einer Fusion der gesamten VG Obere Kyll mit Hillesheim und Gerolstein kompliziert zu lösen sind.
Noch schwieriger wird es, wenn sich die Gemeinden im Westteil der VG für einen Wechsel zur VG Prüm entscheiden sollten, denn die müssten einen Teil der VG-Schulden mit nach Prüm nehmen. Zudem müsste geklärt werden, was die Prümer für die Übernahme von VG-Eigentum wie Kanal oder Feuerwehrfahrzeugen und -häusern zu zahlen hätten. Vier Orte - Hallschlag, Reuth, Ormont und Scheid - haben ihren Wunsch für einen solchen Wechsel mehr oder weniger deutlich zum Ausdruck gebracht. Sie blicken mit großem Interesse darauf, wie sich die Stadtkyller entscheiden. Nicht zuletzt deswegen sind auch die Ortsbürgermeister Hans-Jürgen Breuer aus Hallschlag und Cornelius Dahm aus Ormont gekommen.
Kommunal reform


Ginge es allein nach den Gefühlen, wäre die Entscheidung klar. Denn die Verbundenheit mit der alten Kreisstadt Prüm ist immer noch groß, viel größer als die in Richtung Hillesheim, Gerolstein oder gar Jünkerath, das ist deutlich zu spüren. Man sei einfach stärker nach Prüm orientiert, sagt ein Einwohner, "das ist einfach so". Eine Bürgerbefragung hätte wohl ein ähnliches Ergebnis wie in Hallschlag oder Reuth gebracht. "Das wäre aber eine reine Bauchentscheidung gewesen", sagt Ortsbürgermeister Harald Schmitz, deshalb habe man auch noch keine Befragung gemacht.
Nicht nur ihm fehlt es bislang an klaren Fakten. "Was bringt uns ein Wechsel nach Prüm denn wirklich konkret?", fragt Carmen Mies. Alles, was man jetzt in Prüm erledigen könne, ginge ja auch nach der Kommunalreform. Man könne auch weiterhin dort einkaufen oder seine Kinder aufs Gymnasium schicken. "Wirkliche Gründe für Prüm fallen uns nicht ein", sagt der zweite Beigeordnete Matthias Leuwer. Arno Fasen verweist darauf, dass es nach der Reform auf jeden Fall ein Bürgerbüro in Jünkerath im Rathaus geben werde, auf dem die meisten Amtsgeschäfte zu erledigen seien. Dort werde auch mehr möglich sein als beispielsweise in den Außenstellen der VG Prüm in Schönecken oder Bleialf, wo lediglich Unterlagen abgegeben werden könnten. Für den Schulstandort Stadtkyll könne derzeit niemand eine Garantie abgeben, das liege aber nicht an der Kommunalreform, sondern einfach daran, dass abzusehen sei, dass es immer weniger Kinder gebe.
Altbürgermeister Peter Linden fragt nach den Auswirkungen der Fusion auf die Prümer Behörden wie Polizei und Amtsgericht und spricht sich eindeutig für einen Wechsel nach Prüm aus. Denn schon jetzt sei abzusehen, dass in einem nächsten Schritt die Kreise reformiert werden. "Und ich möchte nicht erleben, dass ich zum Kreis Wittlich gehöre."
Meinung

Eine Entscheidung mit Tragweite
Prüm oder Gerolstein? Die Entscheidung in dieser Frage hat Auswirkungen, die weit über Stadtkyll hinausreichen. Zum einen ist der stolze Ort der Hebel, der dem ganzen Landkreis Vulkaneifel den frühzeitigen Garaus machen könnte. Denn der Kreis könnte wohl schweren Herzens Dörfer wie Hallschlag oder Reuth ziehen lassen, wenn sie denn unbedingt nach Prüm wollen. Aber Stadtkyll mit seinen 1480 Einwohnern hat eine ganz andere Bedeutung. Würde der Wechsel nach Prüm wirklich zustande kommen, hätte der Vulkaneifelkreis endgültig keine Zukunft mehr. Aber auch in die andere Richtung gibt es Auswirkungen, die noch nicht abzuschätzen sind. Denn warum sollten Polizei und Amtsgericht Prüm weiterhin für die dann ehemalige VG Obere Kyll zuständig bleiben? Viel wahrscheinlicher ist, dass in einem nächsten Schritt auch dort die Zuständigkeiten zugunsten des Dauner Amtsgerichts und der Polizei in Gerolstein geändert werden. Dann ist zu befürchten, dass die nächsten Prümer Behörden auf der Streichliste auftauchen. c.brunker@volksfreund.deExtra

Weil die Verbandsgemeinde Obere Kyll mit ihren rund 8700 Einwohnern aus Sicht der Landesregierung zu klein ist, steht sie auf der Liste derjenigen Verbandsgemeinden, die sich einen Fusionspartner suchen sollen. Bis zum 30. Juni 2012 läuft noch die sogenannte Freiwilligkeitsphase, danach behält das Land es sich vor, Verbandsgemeinden zwangsweise zusammenzulegen. An der Oberen Kyll hat man Verhandlungen mit den Verbandsgemeinden Hillesheim und Gerolstein aufgenommen. Eine Fusion der gesamten VG mit der VG Prüm hat das Land abgelehnt, denn die Kreisgrenzen sollen in dieser Reform nicht angetastet werden. Der Wechsel einzelner Gemeinden ist aber möglich, wenn die VG-Räte zustimmen. Dafür müssen aber sogenannte "Gemeinwohlgründe" angeführt werden. Das Land wolle triftige Argumente, sagt Fasen. "Dazu zählt nicht, dass vor 40 Jahren über die Köpfe der Bürger entschieden worden ist." Der weitere Fahrplan sieht vor, dass die Verhandlungen mit Hillesheim und Gerolstein bis Ende des Jahres so weit abgeschlossen werden, dass Anfang 2012 die Verträge in den VG-Räten besprochen werden können. Dann sollen auch die Bürger informiert werden. Inwieweit die Bürger in die Entscheidung einbezogen werden, ist noch nicht klar. Stimmen die VG-Räte zu, geht der Fusionsvertrag in die Ortsgemeinden. Mehr als die Hälfte der Ortsgemeinden müssen zustimmen. Zudem müssen sie mehr als die Hälfte der Einwohner repräsentieren. Am Ende muss der Landtag über das Fusionsgesetz entscheiden. ch

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