Glaube im Alltag

Die "Heilig-Rock-Wallfahrt" im Bistum Trier ist in vollem Gang: Menschen aller Altersstufen und von überall her machen sich auf den Weg zum Gewand Christi im Trierer Dom. Die Wahrnehmung der Wallfahrt ist bei den Menschen unterschiedlich: Er reicht von zärtlicher Berührung des Holzschreins mit längerem Verweilen über den skeptischen Blick mit flüchtigem Vorübergang bis hin zur offenen Ablehnung jedes vermeintlichen Reliqienkultes.

 Michael Schlüter. Foto: privat

Michael Schlüter. Foto: privat

Der äußerliche Umgang mit Religion spiegelt die gesellschaftliche Wirklichkeit. Aber das Ganze hat noch eine andere, tiefere Dimension. Unter den kulturellen Bedingungen von früher war es kaum möglich, ein gelingendes Leben außerhalb religiöser Praxisformen zu erfahren. In unserer Neu-Zeit ist Religion nur eine Sinndeutung neben anderen: Für die einen ist der Heilige Rock ein Markenzeichen und Symbol ihres Glaubens, für die anderen ein nichtssagendes altes Kleidungsstück. Die Frage stellt sich, wie der Mensch heute überhaupt noch Gott erfahren und ihm trauen kann. Nietzsche fragte einmal: "Wohin ist Gott? Ich will es euch sagen: Wir haben ihn getötet - ihr und ich!" Demgegenüber ein Hinweis aus dem österlichen Evangelium: "Dann öffnete er (der auferstandene Herr) ihnen den Verstand/die Augen!" (Lukas 24,45). Es heißt nicht: Er schaltete ihren Verstand aus, damit sie glauben konnten, sondern im Gegenteil: Der Verstand bleibt in seinem Recht, wird aber quasi von seinen Blockaden und selbstgesetzten Grenzen befreit und für eine neue vorher undenkbare Wirklichkeit aufgeschlossen: "Er ist auferstanden von den Toten!" Daraus käme dann die Antwort auf die oben genannte Frage "Wohin ist Gott?": Er ist dort in deinem Denken, wo er Todsicherheit und Aussichtslosigkeit durchbricht und bisher Undenkbares für möglich hält. Michael Schlüter, Dekanatsreferent Gerolstein-Hillesheim

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