Hett ass Kniedelsdaach

Rittersdorf/Meckel · Sie schmecken kernig, sind leicht zu machen und gehören zur Region wie der Schinken und die Kühe: die Buchweizen-Knödel. Doch warum und wie macht man sie eigentlich?

Rittersdorf/Meckel Wenn Mundartsängerin Sylvia Nels an Knödel, eiflerisch Kniedeln, denkt, dann sieht sie vor ihrem geistigen Auge riesige Töpfe, aus denen Berge an Knödeln herausquellen, garniert mit einer deftigen Speckschwarte. Und dann erinnert sich die Rittersdorferin daran, wie zwei Erwachsene und sieben Kinder rund um den Tisch saßen und ihr "Papp" ihr über den Tisch zurief: "Siehst du mich noch?" - und froh war, wenn ein "Nein" kam. Denn, so sagt ein alter Spruch aus ihrer Familie: "Zu wenig Knödel sind schlimmer als gar keine."
Solche Erinnerungen sind es, die sie zum Lied "Hett ass Kniedelsdaach" inspiriert haben. Also genau die richtige Frau, um mit dem Meckeler Koch Thomas Herrig in die Tiefen der lokalen Knödelküche einzutauchen.
Und da kann selbst Sylvia Nels noch was lernen. Zwar weiß sie, dass die berühmten Eifeler "hiddelich oder heedelisch Kniedeln" aus Buchweizenmehl gemacht und dieses Getreide als "Heidekorn" bezeichnet wird. Aber warum?
Thomas Herrig weiß es - hat er doch das bereits vergriffene Buch "Ländliche Nahrung im Strukturwandel des 20. Jahrhunderts" von Gertrud Herrig aus Wolsfeld gelesen.
Den Buchweizen sollen, so glaubten es die Menschen, die Türken in den deutschsprachigen Raum gebracht haben - und in der Region waren das nun mal "Hidden", also Heiden. Warum die Knödel auch "welkisch" genannt werden? Weil Buchweizen auch "das schwarze Welschkorn" genannt wurde. Welsch bedeutete früher so viel wie undeutsch, fremdländisch.
Fest steht: Sie schmecken kernig, kräftig und ein bisschen bitter. "Früher sogar noch viel bitterer als heute", erklärt Herrig. Denn auch in schlechten Jahren musste der Buchweizen, der den Vorteil hatte, dass er sogar auf kargen Böden wuchs, geerntet werden. Und dann schmeckte er eben oft bitter. Hauptsache, man hatte überhaupt was auf dem Teller. Das war auch im Hunsrück nicht anders. Dort war der Buchweizen eines der wichtigsten Grundnahrungsmittel.
Selbst auf dem kargen Boden und in Höhenlagen (bis 800 Meter) wuchs er recht zuverlässig. Wen wundert es, dass man viele Gerichte nicht mit Weizenmehl, sondern mit Buchweizenmehl bereitete? Noch mehr Knödeltheorie gefällig? Im Hunsrück nennt man die Knödel und ihre Abwandlungen "Wasserspatzen", an der Mosel "Mehlklöße", in Luxemburg "Kniddelen" oder "Stäärzelen". In reicheren Gegenden mit besseren Böden wurde allerdings die Weißmehl-Variante bevorzugt.
Apropos reich. Nicht nur das Getreide ließ darauf schließen, woher man kam. Wie übrigens auch die Zubereitung. Denn in ärmeren Gefilden gab es die simple Variante mit heißem Wasser, und die Knödel wurden mit warmer Milch gegessen. In reicheren Gegenden wurden sie an Schlachttagen in Wurstbrühe gekocht und anschließend in Speck und Schmalz "gewändzelt" (gewälzt). Geradezu luxuriös wird es bei den "Pannas/Panhas", den Kochwürsten, wie sie zum Beispiel in der Region um Mayen und im Rheinland zubereitet wurden. Dabei wurden gar Fleischstücke in den Buchweizenteig gerührt, das Ganze zu einer Wurst gerollt, Stücke abgeschnitten und gebraten.
Aber zurück zur kargen Variante, den "hiddelich Kniedeln". Die hatte Thomas Herrig mit den Miniköchen bei den Mundarttagen in Bitburg in einem Gemisch von Hühnerbrühe und Salzwasser zubereitet - und 150 Portionen Knödel in einer Stunde verkauft.
Auf der Karte hat Herrig die Knödel zwar nicht, aber er bereitet sie auf Anfrage gerne zu - je nach Jahreszeit garniert mit Apfelmus, Spargel oder Pfifferlingen. So wird aus dem Arme-Leute-Essen doch noch eine schicke Mahlzeit.
Und eine trendige: Denn Buchweizen ist kein Getreide, sondern ein Knöterichgewächs, also glutenfrei. "Und low carb", sagt Sylvia Nels. Dafür hätte sich ihr "Papp" vermutlich gar nicht interessiert. Hauptsache, der Topf war voll!

Extra: EIN PSEUDOGETREIDE AUS ASIEN


Buchweizen ist ein Knöterichgewächs. Trotz der Bezeichnung Buchweizen handelt es sich nicht um Getreide, da die Früchte des Buchweizens glutenfrei sind. Buchweizen liefert dreimal so viel Eiweiß wie Getreide, soll Bluthochdruck sowie den Cholesterinspiegel senken und ideal für Diabetiker sein. Buchweizen stammt aus Asien und gelangte vermutlich im 14. Jahrhundert nach Europa. Ab dem 16. Jahrhundert wurde er in ganz Europa in kargen Gebieten angebaut.

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