Irrel durch die Linse von Schmatten Hanni

Irrel · Bei der 1300-Jahr-Feier der Gemeinde Irrel war auch der rührige Heimatverein des Orts mit einer großen Bilder- und Webstuhlausstellung vertreten. Nun wird ein Teil der Exponate in der Schalterhalle der Irreler Kreissparkasse ausgestellt.

Der Heimatverein Irrel, am alten Webstuhl repräsentiert von Peter und Ehefrau Helga Wagner sowie den beiden Vorsitzenden Peter Giering und Manfred Hubert (von links), hat in den vergangenen Jahren viele historische Dokumente gesammelt. TV-Foto: Uwe Hentschel

Der Heimatverein Irrel, am alten Webstuhl repräsentiert von Peter und Ehefrau Helga Wagner sowie den beiden Vorsitzenden Peter Giering und Manfred Hubert (von links), hat in den vergangenen Jahren viele historische Dokumente gesammelt. TV-Foto: Uwe Hentschel

Irrel. Peter Wagner hat ihn gut gekannt. "Er hatte die erste Tankstelle im Ort", sagt Wagner. "Und ein kleines Eisenwarengeschäft hatte er auch noch", fügt er hinzu. Was "Schmatten Hanni" aber vor allem hatte, war eine für die damalige Zeit sehr gute Fotoausrüstung. "Bei ihm habe ich fotografieren und entwickeln gelernt", erklärt Wagner, der selbst leidenschaftlicher Hobbyfotograf ist und deshalb den Nachlass von Schmatten Hanni besonders zu schätzen weiß.
Mit richtigem Namen hieß Schmatten Hanni, der bereits vor einigen Jahrzehnten gestorben ist, übrigens Johann Leisen. "Großes L, altes Eisen", habe er immer gesagt, wenn man ihn nach seinem Namen gefragt habe, sagt Wagner lachend. Seinen Laden hatte der Eisenwarenhändler in Nähe der Prüm, an der Stelle, wo heute eine Gaststätte ist. Dort hat er auch seine Fotos entwickelt. Und das waren einige. Denn Leisen war so etwas wie der Dorffotograf.
"Großes L, altes Eisen"


Zu ihm gingen die Irreler, wenn sie ein Familienfoto haben wollten. Denn außer Schmatten Hanni hatte in der ersten Hälfe des 20. Jahrhunderts ja kaum ein anderer aus dem Ort einen Fotoapparat. Darüber hinaus hat der Betreiber des Eisenwarenhandels nicht nur einfach fotografiert, sondern auch viele lustige Szenen nachgestellt und abgelichtet. Auch in Sachen Bildbearbeitung hat sich Schmatten Hanni als äußerst kreativ erwiesen und im Rahmen seiner Möglichkeiten alles ausprobiert.
"Wir hatten in den vergangenen Jahren schon öfters Ausstellungen mit Bildern von Schmatten Hanni", sagt Manfred Hubert, zweiter Vorsitzender des Heimatvereins Irrel. Doch sei dabei die Auswahl der Fotos noch vergleichsweise klein gewesen, fügt er hinzu. Für die Ausstellung zur 1300-Jahr-Feier (der TV berichtete) konnte der Heimatverein aber dann in die Vollen greifen.
Die Nichte von Schmatten Hanni hatte zu Hause noch fünf Fotoalben sowie eine Kiste unsortierter Bilder aus dem Nachlass des Dorffotografen. Und diese Fotosammlung wurde dem Heimatverein zur Verfügung gestellt, damit dieser die Bilder alle einscannen und neu drucken lassen konnte. Rund 300 Bilder waren anlässlich der Ausstellung zu Irrels 1300. Geburtstag in der Gemeindehalle zu sehen. "Und gut 500 weitere Fotos haben wir noch in der Reserve", sagt Hubert.
Mittlerweile ist die Ausstellung in der Gemeindehalle vorbei. Doch wer den Blick auf die Schnappschüsse des Irreler Dorflebens verpasst hat, kann das nun an anderer Stelle nachholen. Ab dem 6. Oktober sind die Fotos nämlich für drei Wochen in der Schalterhalle der Irreler Kreissparkassenfiliale ausgestellt. Und weil es so viele Bilder sind, werden die Fotos jede Woche ausgetauscht.
Der Heimatverein ist aber darüber hinaus auch jetzt schon mit einer historischen Präsentation in der Schalterhalle vertreten. Denn Peter Wagner, der ebenfalls Mitglied des Vereins ist, sammelt nicht nur alles, was mit historischer Fotografie zu tun hat, sondern auch Webstühle und sämtliche Geräte, die mit der Herstellung von Leinenprodukten zusammenhängen. Das hängt mit seinem Sammeltrieb zusammen. Aber auch mit seiner Heimatgemeinde. Denn Irrel war früher ein Weberdorf (siehe Extra).
Ein Ort, 40 Webstühle


Von den rund 40 Webstühlen, die es bis ins 20. Jahrhundert hinein in Irrel gegeben habe, sei heute keiner mehr vorhanden, bedauert Wagner, dessen Sammlung sich deshalb aus Exemplaren aus allen Ecken der Republik zusammensetzt. Wagner hätte natürlich gerne alle seine Spinnräder, Spulen und Webstühle in der Kreissparkasse ausgestellt. Doch dafür war die Schalterhalle dann doch zu klein.Extra

Karge Böden: Dass es in Irrel früher in ungewöhnlich vielen Haushalten einen Webstuhl gab, hat vor allem geologische Gründe. "Die Landschaft rund um Irrel hat sich wegen der sehr unterschiedlichen und zum Teil kargen Böden eher schlecht für Landwirtschaft geeignet", erklärt Peter Wagner. Da der Flachs eine relativ anspruchslose Kulturpflanze sei, hätten die Bauern in Irrel viel Flachs gepflanzt, um dann im Winter für den Eigenbedarf - aber auch als Nebenerwerb - Leinen zu weben. Der Weberei und den örtlichen Steinmetzen sei es zu verdanken, dass Irrel nach der schweren Brandkatastrophe von 1869, der fast sämtliche Häuser zum Opfer fielen, einen neuen Aufschwung erleben konnte, sagt Wagner. uheExtra

Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, was das früher für eine Arbeit war, Kleidung oder Tischdecken herzustellen. So, wie heute Eure Klamotten zum größten Teil aus Baumwolle sind, war früher hier bei uns in der Region vieles aus Leinen. Genau wie Baumwolle ist Leinen ein Naturprodukt, das aus einer der ältesten Kulturpflanzen der Menschheit gewonnen wird: dem Flachs. Der Flachs musste nach der Ernte, für die es damals noch keine Traktoren gab, erst einmal zu Fäden gesponnen werden. Das kennt ihr ja vielleicht aus dem Märchen über Rumpelstilzchen. Da wurde die arme Müllerstochter ja vom König in einer Kammer eingesperrt, weil ihr Vater blöderweise behauptet hatte, seine Tochter könne Stroh zu Gold spinnen. Das war natürlich Quatsch. Richtig ist aber, dass die Flachsfasern durch das Spinnen zu Fäden werden. Und aus diesen Fäden wurde dann früher mit riesigen Webstühlen (so einer wie auf dem Foto) sehr mühsam der Leinenstoff hergestellt. Und weil der Flachs von Natur aus eher beige und eben nicht weiß ist, wurde der Stoff danach meistens noch gebleicht - und auch das war sehr anstrengend, weil es damals noch keine Bleichmittel gab. Das Leinen wurde zum Bleichen in die Sonne gelegt. Aus dem Leinen wurden nicht nur Hemden, sondern auch Bettwäsche und Tischdecken genäht. Die Menschen früher mussten sehr viel Zeit in ihre Kleidung und Wäsche investieren. Im späten 19. Jahrhundert wurde das Leinen dann in der Textilindustrie von der günstigeren Baumwolle verdrängt.uhe

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