Kaiser, Äbte und andere Heilige

So viel zu sehen, so wenig Zeit: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kommt am Donnerstag zum Wahlkampfbesuch nach Prüm (der TV berichtete). Da bleibt kaum Gelegenheit, die Schätze der Abteistadt zu würdigen. Vielleicht ist das aber auch besser so, denn überall drohen Verstrickungen.

Prüm. Die Bundeskanzlerin wird bei ihrem Besuch in der Abteistadt eine ganze Reihe beeindruckender Prümer Kulturgüter zu sehen bekommen: das Grab Kaiser Lothars. Das Reliquiar der Heiligen Drei Ärzte. Die Sandalen Christi. Und Monika Rolef!

Schade nur, dass Angela Merkel sich kaum Zeit für all die anderen Prümer Schätze und Heiligen nehmen kann. Das Regino-Gymnasium zum Beispiel - die ehemalige Abtei, in der am 27. Mai 2005 der "Prümer Vertrag" zur EU-weiten Kriminalitätsbekämpfung unterzeichnet wurde. Ein richtig historischer Ort also. Damals dabei: Jede Menge Justiz- und Innenminister aus Belgien, Frankreich, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich und Spanien. Allerdings auch Otto Schily (SPD, also ganz verkehrt).

Kurz: Da kann sie nicht hin. Obwohl dort doch vor 1100 Jahren der fromme Abt und Historiker Regino von Prüm wirkte: der Mann, der dann später unverständlicherweise nach Trier ging, um dort das "Chronicon" zu verfassen, die erste Weltgeschichte der, eben, Welt.

Auch für die Hansens und Zierden wohl keine Zeit



Apropos Regino: Nach dem Prümer Abt ist nicht nur das Gymnasium benannt oder ein Biobauer und Kommunalpolitiker (grün, also wieder falsch!) aus Wascheid. Sondern auch ein Journalistenpreis. Er wird seit 2000 verliehen "für herausragende Justizberichterstattung", und zwar im Oberlandesgericht Koblenz. Und wer hat den Preis gestiftet? Achtung, Angela: Wolfgang Ferner - genau, der Landratskandidat für "Die Linke". Also ganz schlimm!

Regino geht also gar nicht für die Kanzlerin - das würde ja aussehen, als sei sie vom Glauben abgefallen. Um Streit zu verhindern, sollte sie deshalb vielleicht besser das Prümer Geburtshaus von Heinz Klaus Mertes besuchen, des ehemaligen ARD- und SAT 1-Journalisten, der so gerne bei Helmut Kohl hockte und, aus herzlicher Abneigung, von Ulrich "Tagesthemen" Wickert immer "Kleins Haus Mertes" genannt wurde.

Ein groß' Haus hingegen könnte sie sich von Reginos direktem Nachfolger als städtischem Oberhistoriker, Franz-Josef Faas, zeigen lassen: das Museum Prüm. Aber nur, wenn sie unbeschadet am Spalier der demonstrierenden Milchbauern vorbeikäme. Ganz in der Nähe: die segensreich wirkenden Hansen-Schwestern. Marlies und Berta, Organisatorinnen des Prümer Turmblasens und Verpflegerinnen zahlloser fußlahmer Jakobspilger, würden der Kanzlerin bestimmt gern in Fragen christlich orientierter Politik weiterhelfen.

Wen hätten wir noch? Josef Zierden - den Festivalmann, ohne den die neuere deutsche Literatur ja praktisch nicht existenzfähig wäre. Zumindest in der Eifel. Aber, wie gesagt: Dafür hat die Kanzlerin vermutlich gar keine Zeit. Und hält es deshalb vielleicht doch eher mit dem 1944 ebenfalls in Prüm geborenen Liedermacher Ulrich Roski: "Das ist mir ausgesprochen Wurst."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort