Literarisches Heimspiel mit zwei Siegern

GEROLSTEIN/PRÜM. Krimi-Star und Roman-Debütant an einem Tisch. Beim Eifel-Literatur-Festival lasen am Mittwochabend Jacques Berndorf und Arnold Thünker im Creativ Druck- und Medienzentrum Gerolstein.

Ihre Text-Genres sind ebenso unterschiedlich wie die inhaltliche Stoßrichtung und die Zielgruppe. Jacques Berndorf, seit Jahren bundesweit gefeierter Krimi-Autor beim Dortmunder Grafit-Verlag, und Arnold Thünker, der vor ein paar Wochen ein viel beachtetes Roman-Debüt ("Keiner wird bezahlen") bei Kiepenheuer & Witsch gab, haben trotzdem Gemeinsamkeiten: Sie sind nicht nur stilsichere Schreiber - sie interessieren sich auch für Fußball. Besonders aber fällt auf: Sie haben die Ruhe weg. Während sich Arnold Thünker eine Zigarette dreht, stopft Jacques Berndorf die Pfeife. Das an diesem Abend parallel laufende Straßenfeger-Spiel zwischen Deutschland und Tschechien haben beide sehr wohl zur Kenntnis genommen, deshalb ist die Freude umso größer, als für ihre "Begegnung" Stühle nachgestellt werden müssen. Immerhin: Rund 100 Literatur-Interessierte kommen an diesem Abend in die Druckerei des Creativ-Medienzentrums nach Gerolstein. Die geballte Technik der Heidelberg-Speedmaster im Rücken, nehmen die Schriftsteller auf der kleinen Bühne aus Paletten und Spanplatten Platz, wo Eifel-Literatur-Festival-Chef Josef Zierden "den guten Meister Berndorf" und den Debütanten Thünker begrüßt. Zierden spricht von einem "literarischen Heimspiel" zweier Eifel-Poeten und vom "Tag der Entscheidung" zwischen Fußball-Krimi und Lese-Abend. Arnold Thünker liest aus seiner stark autobiografischen Geschichte, die im Eifel-Dorf Breisig spielt. Darin erfahren die Zuhörer die ganze Zerrissenheit im Leben eines jungen Mannes, der im Umfeld einer Dorfkneipe groß wird und 16-jährig einer zugezogenen Frau als Liebhaber dient. Die mit feiner Hand strukturierten Erzählstücke lassen den Protagonisten in Euphorie und Verzweiflung zugleich geraten, denn der Betrogene ist sein einziger Vertrauter und Freund. Die Geschichte, die Jacques Berndorf liest, heißt "Der Schluchzer" und passt damit perfekt zu den Spielständen der EM-Gruppe D (Deutschland liegt 1:2 in Rückstand, die Holländer führen 2:0 gegen Lettland). In "Der Schluchzer" erzählt Berndorf aus dem Leben des Historikers Hermann-Josef Brinkbäumer, der den wahren Werdegang Hermann des Cheruskers zu ergründen versucht - und dabei wahnsinnig wird. Die mit feinem Humor gespickte Story gipfelt darin, dass Brinkbäumer nicht nur das Skelett Hermanns im Nachbargebäude vermutet, sondern zudem seine Ehefrau an einen 18-Jährigen verliert. Berndorf schmunzelnd: "Es sieht so aus, als mache ich mich über bestimmte Leute lustig, aber davon bin ich fern." Fern ist derweil Arnold Thünker davon, ein Krimi-Fan zu werden. In Berndorfs Geschichten sehe er gleichwohl "beeindruckende Momente". Thünker empfiehlt an diesem Abend seinem Gegenüber, die Eifel (literarisch) auch einmal zu verlassen. "Die Leute mögen das so. Ich bin gerne hier und in der Eifel, auch mit meinen Geschichten", gibt Berndorf zurück, und erhält dafür prompt Beifall. Wieviel Beifall Arnold Thünker erhält, wenn er im September in Breisig, am Schauplatz seines (literarisch anspruchsvollen) Tiefgang-Romans, liest, bleibt abzuwarten. Zu Recht Anerkennung erhält Thünker jedenfalls für seinen Mut, in die Höhle des Löwen zu gehen. Weniger Honneur bekommt indes das deutsche EM-Team, das inzwischen ausgeschieden ist, während die Autoren ihr literarisches Heimspiel klar gewonnen haben. Beide. Die nächste Veranstaltung im Rahmen des Eifel-Literatur-Festivals ist am Samstag, 10. Juli, 20 Uhr, in der Wandalbert-Hauptschule Prüm. An diesem Abend ist Maximilian Schell zu Gast. Informationen und Karten unter Telefon 06551/2489 oder im Internet unter www.eifelliteraturfestival.de

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