Vergebliche Suche nach Namen der Opfer

Bitburg · An sieben Stellen wird in Bitburg der Opfer des Zweiten Weltkriegs und des Holocaust gedacht. Was es nicht gibt, ist ein Mahnmal mit den Namen der von den Nazis verschleppten und ermordeten Bitburger Juden.

 Stilles Gedenken: Auf Kolmeshöhe steht das Mahnmal des Künstlers Albert Hettinger vor dem Soldatenfriedhof mit Turm. TV-Foto: Dagmar Schommer

Stilles Gedenken: Auf Kolmeshöhe steht das Mahnmal des Künstlers Albert Hettinger vor dem Soldatenfriedhof mit Turm. TV-Foto: Dagmar Schommer

Bitburg. Eine Stadt will sich erinnern: Der Stadtrat hat sich mit der Frage beschäftigt, wie in Bitburg der Holocaust-Opfer gedacht werden kann. Eine Möglichkeit wäre, Stolpersteine zu verlegen (siehe Extra). Zwar gibt es in Bitburg bereits Mahnmale und Gedenktafeln, die an Opfer des Zweiten Weltkriegs und den Nationalsozialismus erinnern -

aber die Namen der von den Nazis ermordeten fehlen. Ein Rundgang:

Verstorbene Juden: Grau wie der Himmel ist die Gedenktafel für die Bitburger Bürger jüdischen Glaubens auf dem Judenfriedhof. Die Aufschrift ist nur schwer zu entziffern. ,,Vielleicht ist deswegen bisher niemandem aufgefallen, was hier fehlt", sagt Stephan Garçon, der dieses Kapitel Stadtgeschichte erforscht hat. ,,Die meisten Menschen glauben, hier würde der Holocaust-Opfer gedacht. Doch das stimmt nicht", sagt Garçon. Zwar stehen auf der Tafel Namen Bitburger Juden, doch die seien allesamt zwischen 1890 und 1940 eines natürlichen Todes gestorben. Diejenigen, die Opfer des NS-Regimes wurden, fehlen. "Das ist ein Unding", sagt Garçon.

Zwangsarbeiter: Gleich nebenan liegt der Friedhof Erdorfer Straße. Dort sind neben acht Wehrmachtssoldaten auch mehr als 30 Männer und Frauen osteuropäischer Herkunft begraben. ,,Wahrscheinlich verschleppte Zwangsarbeiter", vermutet Garçon. Auf Gedenkkreuzen finden sich zwar ihre Namen - aber jede weitere Information über das Schicksal dieser Menschen fehlt.

Standort Synagoge: Dort, wo einst die Synagoge stand, sind die Informationen vage und teils irreführend. Am Standort des jüdischen Gotteshauses steht auf einer Plakette an einer Mauer an der Ecke Neuerburger Straße/Rautenberg, dass das Gebäude 1944 bei einem Luftangriff der Alliierten zerstört worden sei. ,,Zwar war die Synagoge stark beschädigt, doch sie stand noch bis Anfang der 50er-Jahre", sagt Garçon. Dann erst wurde das Gotteshaus abgerissen.

Opfer des Faschismus: Auf Kolmeshöhe steht ein Denkmal des Künstlers Albert Hettinger zu Ehren aller Opfer des Faschismus. Das quaderförmige Mahnmal ist an einer Stelle wie durch ein Geschwür durchbrochen - ein Symbol dafür, wie der Faschismus die Gesellschaft zersetzt und zerrissen hat. Am Fuß der Säule steht ein Zitat des ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker aus seiner denkwürdigen Rede 1985 zum 40. Jahrestag des Kriegsendes: "Wer aber vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart."

Gefallene Soldaten: Ebenfalls auf Kolmeshöhe ist der Soldatenfriedhof - ein Ort, der bereits weltweit für Schlagzeilen gesorgt hat, als sich dort 1985 der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl und der amerikanische Präsident Ronald Reagan trafen, um der Toten zu gedenken. Was Zeichen der Versöhnung sein sollte, sorgte für Empörung, weil auf dem Friedhof auch SS-Männer begraben liegen.

Zivile Kriegsopfer: Im Turm des Soldatenfriedhofs sind die Namen ziviler Kriegsopfer aus Bitburg samt Todesdatum auf Steintafeln eingraviert.

Opfer eines Bombenangriffs: Am Borenweg, wo einst die Brauerei Zangerle war, gibt es eine Plakette, die an Bitburger Bürger erinnert, die im Gewölbekeller der ehemaligen Braustätte im Bombenhagel der alliierten Luftangriffe an Weihnachten 1944 den Tod fanden. Ihre Namen sind - soweit bekannt - auf der Plakette eingraviert.

Vergessen sind auch die Namen von 124 russischen Kriegsgefangenen, die im Jahr 1941 in Bitburg interniert waren und qualvoll dahin siechten, weil ihnen in einem Lazarett jegliche medizinische Hilfe versagt wurde. ,,Geschichte wird über Einzelschicksale lebendig", sagt Stephan Garçon: ,,Nähe und Betroffenheit entstehen erst dann, wenn man der Katastrophe einen Namen gibt."

Meinung

Sie sind Teil Bitburgs

Sie lebten mitten in Bitburg und waren Teil der Stadt - bis sie von den Nationalsozialisten zur Flucht getrieben, verschleppt und in Konzentrationslagern ermordet wurden: Es gehört zur Verantwortung der Stadt, den Mitbürgern, die Opfer des Holocaust wurden, ihre Namen zurückzugeben. Mit der Generation, die über diese Zeit aus eigener Erfahrung berichten kann, stirbt auch die Möglichkeit, das Unvorstellbare an Einzelschicksalen deutlich zu machen. Die Auseinandersetzung mit diesem Kapitel deutscher Geschichte muss aber lebendig bleiben. d.schommer@volksfreund.de

HINTERGRUND

Die Grünen hatten angeregt, dass auch in Bitburg Stolpersteine verlegt werden. Der Stadtrat vertagte die Entscheidung und gründete einen Arbeitskreis, der Vorschläge erarbeiten soll wie und wo der Holocaust-Opfer gedacht werden soll (der TV berichtete). Die Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig gibt es in mehr als 500 Orten in Deutschland - unter anderem auch in Trier, Bernkastel-Kues und Gerolstein. Sie werden vor dem letzten Wohnort des jüdischen Mitbürgers in das Pflaster eingelegt und erinnern mit Namen, Geburts- und Todesdatum sowie Hinweis auf das Konzentrationslager an die NS-Opfer. (scho)
UMFRAGE


Peter Fries, 51 Jahre, Bitburg: "Ich würde es begrüßen, wenn Stolpersteine in Bitburg verlegt würden." Christiane Fußhöller, 65 Jahre, Bitburg: "Ich glaube, bei dieser Sache kann nie genug getan werden. Stolpersteine halte ich für eine sehr gute Idee."

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