Verstand schwindet - Gefühle bleiben

Die Volkskrankheit Demenz wird sich zukünftig noch weiter ausbreiten. Dies stellte Stefan Thielscher, Chefarzt der psychiatrischen Abteilung des St. Elisabeth-Krankenhauses Gerolstein und der Marienklinik Bitburg, in seinem Vortrag in der Karolingerhalle fest. Rainer Maßem, Leiter der Beratungs- und Koordinierungsstelle (Beko) in Prüm, informierte über die Unterstützung, die den Betroffenen, insbesondere deren Angehörigen, geboten wird. Unter den rund 150 Zuhörern waren besonders viele Jugendliche aus Pflegebereichen.

 Wer an Demenz erkrankt ist, leidet unter dem schwindenden Kurzzeitgedächtnis.TV-Foto: Archiv/Klaus Kimmling

Wer an Demenz erkrankt ist, leidet unter dem schwindenden Kurzzeitgedächtnis.TV-Foto: Archiv/Klaus Kimmling

Prüm. (ka) Nicht jeder Mensch im Alter ab etwa 65 Jahren, dem der Name des Nachbarn nicht auf Anhieb einfällt, der dreimal nachsieht, ob er die Haustüre abgeschlossen hat, der auf dem Weg vom Wohnzimmer in die Küche vergisst, was er da denn eigentlich wollte, leidet bereits an Morbus Alzheimer. Wäre es so, würde er sein Verhalten nicht mehr registrieren und es mit Sorge beobachten. Eine Faustregel besagt: Für heftiges Klagen sind meist depressive Stimmungen der Grund. Wer jedoch meint, mit seinem Gedächtnis "stimme etwas nicht", sollte einen Arzt aufsuchen. Je früher die Diagnose gestellt wird, desto besser. Immerhin ist Demenz eine der häufigsten Krankheiten im Alter.

Dr. Stefan Thielscher zufolge gibt es in Deutschland zur Zeit etwa 1,2 Millionen Demenzkranke. 2050 wären es 2,5 Millionen, falls es bis dahin nicht neue, wirksamere Behandlungsmethoden gibt. "Demenz ist der Verlust geistiger Fähigkeiten", erklärt der Mediziner. "Die Erkrankten sind den täglichen Anforderungen nicht mehr gewachsen."

Meist ist das Kurzzeitgedächtnis betroffen



Meistens sei das Gedächtnis, vor allem das Kurzzeitgedächtnis, betroffen. Aber auch das Denken, Urteilen oder die räumliche Orientierung seien gestört. In annähernd 70 Prozent der Fälle gelte die schon vor über hundert Jahren von Alois Alzheimer beschriebene Erkrankung als Ursache. Demnach zerstören körpereigene Eiweiße Nervenverbindungsstellen. In diesen Prozess einzugreifen, sei Ziel der Forschung.

"Derzeit gibt es nur zwei Medikamentengruppen mit einer gewissen Wirksamkeit: Cholinesterasehemmer und Memantin", sagt Stefan Thilscher. Aufhalten könnten sie den Prozess nicht, aber die Auswirkungen um circa sechs Monate verzögern. In der Entwicklung seien verschiedene Impfungen. Bei der Bewertung der Medikamente spiele die zusätzlich erreichte Lebensqualität eine große Rolle. Demenzkranke im fortgeschrittenen Stadium seien indes nicht mehr in der Lage, ihre Lebensqualität selbst sinnvoll einzuordnen. Dies beruhe dann auf Fremdbeurteilung.

Besondere Bedeutung haben für Thielscher moderne Trainingsprogramme für Demenzkranke, vor allem die Unterstützung und Beratung pflegender Angehöriger. Studien hätten gezeigt, dass die Kranken länger in ihren Familien verbleiben, wenn ihre häuslichen Betreuer Unterstützung und Beratung erfahren.

Wie das in der häufig rund um die Uhr gehenden familiären Pflege praktisch zu machen ist, erläuterte Beko-Leiter Rainer Maßem. Detailliert befasste sich der Dipl. Sozialarbeiter mit Fragen der Lebensqualität, mit Angeboten ambulanter, teilstationärer und stationärer Dienste und Einrichtungen, mit Versicherungsleistungen und weiteren Unterstützungsangeboten, nicht nur für Kranke, sondern auch für betreuende Angehörige. Denen gab er den Rat: "Vergessen Sie nicht sich selbst. Denn Pflege gelingt am besten, wenn es auch den Pflegenden gut geht."

Kontakt: Beratungs- und Koordinierungsstelle des Trägerverbunds Privater Pflegedienste, Johannismarkt 8 in Prüm, Telefon 06551/148515.

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