Vom Kultplatz zur Kirche

Bitburg · Sie entgeht dem Auge nicht. Wer durch Bitburgs Fußgängerzone schlendert, dessen Weg führt unwillkürlich auf sie zu. Dominant und in eigenwilliger, komplexer Architektur thront die Pfarrkirche Liebfrauen auf dem höchsten Punkt Bitburgs und verkörpert einen Rest verbliebener Altstadt.

Bitburg. "Die Liebfrauenkirche ist das wichtigste Zeugnis für die Bitburger Stadtgeschichte." So bringt es der ehemalige Kreisdenkmalpfleger Michael Berens auf den Punkt. Sie und ihre nahe Umgebung seien der einzige Rest einer Altstadt nach der Zerstörung durch den Krieg. Türme, Dachreiter und Kuppel verdichten sich auf engem Raum und wirken schon aus der Ferne. Wie eine Krone erhebt sich die Kirche aus dem Stadtbild.
Ihre Geschichte schließt den Bogen vom römischen Kastell Beda bis zum modernen Bitburg, vom 4. Jahrhundert bis ins 21. Jahrhundert. Der Stilmix aus Gotik, Neobarock und Moderne lasse Liebfrauen besonders malerisch erscheinen, urteilt Berens: "Es ist eine schöne Kirche, weil sie nicht aus einem Guss ist, sondern eine Entwicklung zeigt und der alte Kirchenraum gelungen umgenutzt wurde für die nachkonziliare Liturgie."
Die Menschen kommen gerne her. Pfarrer Thomas Weber, seit dreieinhalb Jahren Hausherr in Liebfrauen, muss schmunzeln: "Wir haben einen unglaublich hohen Verbrauch an Kerzen, die die Menschen vor der Muttergottes anzünden." Ein Beleg für die zahlreichen Besucher.
BITBURGER BAUSCHÄTZE


Auch bei den Gottesdiensten merkt Weber, dass die Menschen sich in Liebfrauen wohl fühlen. 300 der 400 Sitzplätze seien sonntags besetzt. Und auch für andere Tage gilt: "Die Gottesdienste sind gut besucht." Außer den Einheimischen kommen auch viele Touristen, um sich die Sehenswürdigkeit anzuschauen. "Hier ist permanent Betrieb."
Die Tourist-Information hat die Kirche in die Liste der Bitburger Sehenswürdigkeiten aufgenommen. Spezielle Nachfragen von Touristen seien allerdings sehr selten, sagt eine Mitarbeiterin. Sie geht davon aus, das Bitburgs Gäste einen Kirchenbesuch auf ihrem Weg entlang des archäologischen Rundweges einbauen. Denn es gibt eine unmittelbare Verbindung. Am Standort der Kirche befand sich bis in die Spätantike ein römisches Heiligtum - ein Jupitertempel. Und schon er hatte einen kultischen Vorläufer. Vermutlich nutzten schon die Kelten den gleichen Platz, um ihre Gottheiten zu verehren. Das macht für Pfarrer Weber die besondere Faszination der Liebfrauenkirche aus: "Seit mindestens 2000 Jahren versammeln sich hier Menschen zum Gebet. Das finde ich bewegend."
Weber betrachtet den Ort als lebendiges Beispiel für Kontinuität und Anpassung. Das spiegelt sich auch in dem Mix von Kunststilen in der Architektur: Gotik, Renaissance, das 19. und 20. Jahrhundert haben ihre Spuren hinterlassen.
Die Tourist-Info bietet zwar keine Führungen an, dafür lädt aber Pfarrer Weber ein: "Auf Anfrage machen wir das natürlich."
Extra

Das Herzstück der Pfarrkirche Liebfrauen sieht Pfarrer Thomas Weber in der Muttergottes-Figur mit Kind, die im Hochaltar steht. Sie ist ein Geschenk der Diözese Luxemburg aus dem Jahr 1973 und erinnert an die Zugehörigkeit des Bitburger Landes zum alten Herzogtum Luxemburg, die bis zum Wiener Kongress 1815 bestand. Die Mariendarstellung ist eine Kopie der Wallfahrtsfigur aus der Kathedrale in Luxemburg und besitzt noch einen weiteren Bezug zu Bitburg: 1678 erwählte die Stadt die Gottesmutter als Trösterin der Betrübten zu ihrer Schutzpatronin. Bei ihr suchten die Menschen Zuflucht in allen Nöten. sysExtra

 Der Turm der Liebfrauenkirche prägt das Bitburger Stadtbild.TV-Fotos: (2): Sybille Schönhofen

Der Turm der Liebfrauenkirche prägt das Bitburger Stadtbild.TV-Fotos: (2): Sybille Schönhofen

Der älteste Teil von Liebfrauen, das gotische Schiff, stammt aus dem Jahr 1420 mit einer Erweiterung um ein Seitenschiff im Jahr 1471. 1860 wurde die Kirche nach Plänen von Alexander Franz Himpler, der in Bitburg aufgewachsen war, erweitert und zu einer dreischiffigen Anlage ausgebaut. 1922/23 setzte der Kölner Architekt Eduard Endler (1860-1932) einen großen halbrunden neobarocken Anbau daran. Der nächste massive Umbau erfolgte 1961 unter der Federführung des Trierer Architekten Heinrich-Otto Vogel (1898-1994). Vogel verband beide Gebäudeteile durch drei hohe Bögen erstmals zu einem Gesamtraum. Im Zuge dieses Umbaus erhielten auch die Altäre einen neuen Standort. Der Hochaltar mit der Muttergottes-Figur stammt aus der Kirche St. Peter. 1931 kam der Tabernakelaltar aus Sien (heute Kreis Birkenfeld) dazu. Heinrich-Otto Vogel gilt als der wichtigste Trierer Architekt nach dem Zweiten Weltkrieg. Von ihm stammen in Bitburg auch die evangelische Kirche, das Rathaus, das Gasthaus Simonbräu und das Hauptgebäude der Kreisverwaltung von 1964. sys

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