Zurück vom Rand der Gesellschaft

Prüm/Jünkerath · Gleich zwei Ausstellungen befassen sich seit dem Wochenende mit der Armut in ihren vielen Formen (der TV berichtete): In Prüm und in Jünkerath geht es gleichzeitig darum, wie man Menschen in Not helfen und sie ins soziale Gefüge zurück begleiten kann.

 Facetten der Armut: Motiv aus einer der beiden Ausstellungen. TV-Foto: Fritz-Peter Linden

Facetten der Armut: Motiv aus einer der beiden Ausstellungen. TV-Foto: Fritz-Peter Linden

Armut darf kein Schattenthema sein: Deshalb freut sich Manfred Sohns vom ausrichtenden Dekanat St. Willibrord Westeifel auch darüber, dass so viele zur Eröffnung der Ausstellung ins Konvikt Prüm gekommen sind. Mehr als 80 Menschen nehmen teil.

"Im Vergleich mit Afrika ist der Ärmste bei uns noch glücklich", sagt Aloysius Söhngen, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Prüm. Auch in unseren Breiten gebe es zwar Menschen, die arm sind. Was ihnen aber vor allem fehle, sei die Teilhabe an der Gesellschaft, "an der Fülle des Lebens".

"Wann ist eine Gesellschaft arm?", fragt Söhngen. Seine Antwort: "Sie ist besonders arm, wenn sie sich nicht mehr den Armen zuwendet." Dass dies dennoch geschehe, sei vor allem das Verdienst der Einrichtungen, die an der Prümer Ausstellung beteiligt sind: kirchliche und kommunale Initiativen, die sich eben doch kümmern und nicht wegschauen. Ein gutes Beispiel dafür sei die Prümer Tafel: Er erinnere sich noch an die Gründung, damals hätten er und Manfred Sohns gedacht: "Da kommen vielleicht ein paar. Wir waren erstaunt, vor einem vollen Saal zu sitzen, wo eine Unmenge Menschen sagt: Wir machen mit."

Mitmachen und teilhaben, an Geschenk und Reichtum des Lebens: Das ist das Thema von Kabarettist Franz-Josef Euteneuer. Vor allem alte Menschen sähen sich bei uns gezwungen, ein immer verkümmerteres Leben zu führen, "keine Last" sein zu wollen und sich regelrecht für ihr Dasein zu schämen: "Heute ist die innere Abtreibung im alten Menschen schon drin. Wir maßen uns an zu sagen: Dieses Leben ist nichts mehr wert."

Er sei aus Interesse am Thema gekommen, sagt Norbert Tautges, Ortsbürgermeister von Kesfeld und lobt die Aussteller. Aber auch ein Gemeindechef sollte Betroffene kennen und unterstützen: "Damit die Leute wissen, dass man sich um sie kümmert."

"Es ist ein Thema, das wir im Alltag viel zu selten wahrnehmen", sagt der Arzfelder Bundestagsabgeordnete Patrick Schnieder (CDU). "Deshalb ist es gut, dass die Ausstellung auch die Facetten der Armut dokumentiert." Vieles bleibe "immer an der Oberfläche hängen", ergänzt Klaus Juchmes (CDU), erster Beigeordneter der VG Arzfeld. "Hier wird es konkretisiert."
Es kann jeden von heute auf morgen treffen

Genauso in Jünkerath am Sonntag: Auch dort freuen sich die Ausrichter über großen Zuspruch, denn mehr als 60 Bürger nehmen an der Eröffnung im Rathaus der VG Obere Kyll teil. Darunter auch Cäcilia Keip aus Hallschlag, die vorige Woche im TV erzählte, wie sie und ihr Mann in Not geraten waren.

"Diese eine wahre Geschichte aus Hallschlag zeigt uns: Es kann jeden von uns von heute auf morgen treffen", sagt Bürgermeisterin Diane Schmitz. Auch sie ist überzeugt: Schlimmer noch als finanzielle Armut sei die Ausgrenzung aus der Gesellschaft, die Isolation, die vor allem Kindern alle Chancen nehme. Zumindest in der VG hat man bereits einen kleinen Schritt dagegen unternommen: Per Ratsbeschluss erhalten Kinder aus sozial schwachen Familien in der Jünkerather Ganztagsschule das Mittagessen für einen Euro.

Dass Armut nicht nur "die anderen" trifft, daran erinnert noch einmal Josefine Engeln vom Diakonischen Werk der Evangelischen Kirchenkreise Trier und Simmern-Trarbach. In Zahlen sind es 14 Prozent der Deutschen, wie der Armutsbericht der Bundesregierung 2010 nachweist. Auf die Verbandsgemeinde Obere Kyll mit ihren 8740 Bürgern umgerechnet, bedeute das: Etwa 1200 Menschen dort seien als arm zu bezeichnen.

Extra

Die Ausstellung im Konvikt Prüm ist geöffnet am heutigen Dienstag, 18. Januar, am Freitag, 21. Januar, und am Montag, 25. Januar, jeweils von 16 Uhr bis 18 Uhr. "Gesichter der Armut im Landkreis Vulkaneifel": bis Freitag, 11. Februar, in der Verbandsgemeinde-Verwaltung Obere Kyll, wochentags von 8 bis 16 Uhr. Wer die Wanderausstellung in seiner Kommune zeigen will, kann sich an die Katholische Erwachsenenbildung Westeifel wenden. Kontakt: Joachim Vierbuchen, Telefon 06551/965560. (fpl)

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