Abschied mit Enttäuschung, aber nicht im Zorn

Trier · Der Gründer der Katholischen Akademie, Jürgen Wichmann, gibt nach 44 Jahren seinen Wohnsitz in Trier auf und zieht nach Württemberg

Das zeitliche Zusammentreffen ist Zufall, und doch hat es Symbolwert: Der langjährige Leiter der Katholischen Akademie, Jürgen Wichmann, verlässt Trier zum gleichen Zeitpunkt, an dem sein "Kind" geschlossen wird.

Trier. 82 ist er, und ein wenig ruhiger als früher. "Unbequem", "streitbar", "innovativ": Das sind die Eigenschaften, die ihm Weggefährten nachsagen. Als junger, heute würde man sagen Bildungsmanager holte das Bistum den promovierten Literaturwissenschaftler 1966 aus Westfalen nach Trier. Die seiner Landsmannschaft nachgesagte Dickschädeligkeit half ihm, die katholische Erwachsenenbildung in der Region aufzubauen, mit der Akademie als Prunkstück.

Dass er Konflikten aus dem Weg gegangen wäre, kann man nicht behaupten. Als einen der ersten Gäste holte er Herbert Wehner - prompt redete man in Trier von der "roten Akademie". Dass er schon zu Zeiten des Kalten Kriegs Kontakte nach Russland anbahnte, war zumindest unkonventionell. Im Gegenzug war er aber auch einer der ersten, der auf eine gute Zusammenarbeit mit Luxemburg setzte.

Jürgen Wichmann steht bis heute für Grenzüberschreitung. Zwischen Religion und Kunst beispielsweise. Er schrieb Krimis und historische Romane, entwarf Drehbücher für religiöse Fernsehfilme, mischte sich als Mitbegründer des Kunstvereins "Limes" fröhlich in die Trierer Kulturszene ein. Die Stefan-Andres-Gesellschaft verdankt ihre Existenz seiner Initiative. Die Trierer Schauspiel-Legende Günther Reim nannte Wichmann einst einen "militanten Optimisten". Dass er gerade den Kabarettisten Hans-Dieter Hüsch verehrt, passt da ganz gut ins Bild.

Als sich eine mögliche Schließung der Akademie abzeichnete, gehörte Jürgen Wichmann zu den lautesten Protestierern. Er schrieb Leserbriefe, appellierte an den Bischof. "Eine solche Stätte der Begegnung zwischen Kirche und Welt darf man doch nicht schließen", sagt er auch heute noch. Da schwingt viel Enttäuschung mit, wenn er bekennt, wie nahe ihm die Katholische Akademie auch heute noch steht.

Zwei Jahre nach dem Tod seiner Frau hat er sich entschlossen, zu seiner Tochter in die Nähe von Stuttgart zu ziehen. Dennoch: Kein Abschied im Zorn. Trier, sagt er, sei nach 44 Jahren seine Heimat geworden. DiL

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