Als Kommissare noch unfehlbar waren

Matthias Brandt bekommt für seine Rolle des Hanns von Meuffels in der Krimi-Serie "Polizeiruf 110" den diesjährigen Preis "Roland" des Festivals "Tatort Eifel". Wie sich die Rolle des Fernsehkommissars verändert hat, eröffnet die Geschichte des "Polizeiruf 110" selbst.

Herr Brandt, Sie bekommen den "Roland" für Ihre Rolle des Kommissars Hanns von Meuffels im "Polizeiruf 110": Was, glauben Sie, zeichnet diese Figur aus, im Vergleich zu den vielen anderen Kommissaren im deutschen Fernsehen?Matthias Brandt Das sollte eigentlich nicht ich, sondern die beantworten, die mich auszeichnen. Was ich dazu sagen kann, ist, dass ich meine Arbeit nie aus einem Vergleich oder dem unbedingten Wunsch, mich von anderen zu unterscheiden entwickele. Ich suche mir die Projekte möglichst so aus, wie ich es gut und richtig finde, und wenn das Ergebnis dann ein möglichst großes Publikum findet, freue ich mich. Über so einen schönen Preis natürlich auch.Der "Polizeiruf 110" hat eine lange Tradition: Als Gegenstück zum westdeutschen "Tatort" hat er seine eigene Entwicklung genommen, dabei nahmen wiederum auch die Geschehnisse und Entwicklungen in der DDR oftmals teils starken Einfluss auf ihn. Kann man die alten "Polizeiruf 110"-Folgen noch als Unterhaltung betrachten oder schon als Zeitdokumente der Geschichte?Brandt Ich sehe mich nicht in irgendeiner Tradition. Fernsehfilme sind allerdings grundsätzlich nicht besonders lange haltbar und nicht für die Ewigkeit gemacht. Die sehen ziemlich schnell alt aus. Wenn man sich die nach langer Zeit noch einmal anschaut, hat das wohl in erster Linie persönlich-nostalgische Gründe.In den früheren Folgen des "Polizeiruf 110" wurden oft gesellschaftskritische Themen angesprochen wie Drogenmissbrauch, Alkoholismus, Kindesmissbrauch und Vergewaltigungen; Tötungsdelikte kamen im Vergleich zu heute weitaus seltener vor. Wären solche Fälle für das heutige Publikum zu "lasch"?Brandt Das müssen Sie diejenigen fragen, die diese Themen auswählen und die Drehbücher entwickeln.Wie bewerten Sie die Behandlung politischer und gesellschaftskritischer Themen gerade in Krimis? Öl ins Feuer oder reinigende Wirkung?Brandt Kann man machen, muss man aber nicht. Allerdings sollte man als Film- und Fernsehmacher die eigene Kompetenz und den eigenen Einfluss nicht überschätzen.Kommissare waren in der ersten Zeit des "Polizeiruf 110" austauschbare Figuren, deren eigene Geschichte keine Relevanz hatte in den Episoden; in einer ihrer letzten Folgen wird die Liebesbeziehung zwischen von Meuffels und einer Kollegin ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt: Woher kommt dieser "Sinneswandel"? Haben sich die Sehgewohnheiten verändert, oder sind die Zuschauer heute eher am Privatleben von Hauptfiguren interessiert als am eigentlichen Fall?Brandt Mein Sinn hat sich jedenfalls nicht gewandelt. Ich bin grundsätzlich an Menschen und allem, was sie ausmacht, interessiert und finde das erzählenswert. Über so etwas wie Sehgewohnheiten macht man sich als Schauspieler keine Gedanken. Das ist eher was für Journalisten und Fernsehredakteure.In der "Polizeiruf 110"-Folge "Wölfe" von 2016 kämpft Ihre Serienpartnerin Constanze Hermann mit ihrem Alkoholproblem, zu DDR-Zeiten wurden Kommissare nicht mal mit einer Zigarette im Mund gefilmt. Sie waren Vorzeigebürger, Nichtraucher, immer ordentlich angezogen. Welche Darstellung, glauben Sie, ist näher an der Realität?Brandt Das kann ich nicht beurteilen, weil ich die DDR-Realität nicht erlebt habe. Mit dem Realismus ist das außerdem so eine Sache. Wir drehen ja fiktionale Filme, und ich verstehe eigentlich nicht, warum für diese als wichtigstes Kriterium gelten soll, dass sie realistisch sind, was immer das in diesem Zusammenhang heißt. Wenn's nur darum ginge, könnte man ja stattdessen Dokumentationen drehen.Die Gesellschaft hat sich verändert, das Fernsehen hat sich mit verändert, Krimis sind beliebt wie eh und je. Warum haben gerade Geschichten über Mord und Totschlag so eine enorme Lebensdauer?Brandt Der Krimi ist, glaube ich, als Genre interessant, weil er die Möglichkeit bietet, über das Vehikel eines Verbrechens ohne Umweg in jedes beliebige Milieu einzutauchen. Ich glaube, das macht den Reiz aus und erklärt den Erfolg. Ich finde allerdings, dass wir darüber nicht vernachlässigen sollten, dass es auch noch viele andere Erzählgenres gibt. Stefanie BraunInterview Matthias BrandtExtra: SCHAUSPIELER UND AUTOR

(aheu) Matthias Brandt, Jahrgang 1961, ist der jüngste Sohn des früheren deutschen Bundeskanzlers Willy Brandt und dessen Frau Rut. Er studierte an der Hochschule für Musik und Theater Hannover Schauspiel und hatte Engagements an zahlreichen Theatern in Deutschland und der Schweiz. Seit 2000 ist Brandt auch regelmäßig in Fernsehrollen zu sehen, seit 2010 in der Krimireihe "Polizeiruf 110". Für seine Darstellung des Kommissars Hanns von Meuffels gewann er den "Bambi" und 2013 den Bayerischen Fernsehpreis. 2016 erschien sein erstes Buch: "Raumpatrouille". Quelle: Wikipedia

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