Die Leinwand verschlingt die Zuschauer

3D-Filme sind der zentrale Trend in der Unterhaltungsindustrie. Das Geschäft mit der dritten Dimension verändert sowohl die Filmproduktion als auch die Sehgewohnheiten der Zuschauer. Noch vor einem Jahr hatte Deutschlands Kinolandschaft zwei Dutzend 3D-Säle. Mittlerweile sind es 500, auch Trier hat einen.

 Sie kommt auch bald in 3D: die Grinsekatze aus „Alice im Wunderland“. Kultregisseur Tim Burton hat Lewis Carrols Klassiker neu verfilmt. Foto: Walt Disney

Sie kommt auch bald in 3D: die Grinsekatze aus „Alice im Wunderland“. Kultregisseur Tim Burton hat Lewis Carrols Klassiker neu verfilmt. Foto: Walt Disney

Trier. "In der Realität sehen wir die Welt nicht platt und zweidimensional, akzeptieren diese Wahrnehmung aber seit 100 Jahren, wenn wir auf eine Leinwand schauen. Mit 3D nehmen wir die Leinwand weg und schauen durch ein Fenster." Mit diesen Worten erklärt der Regisseur und Tricktechnik-Pionier James Cameron (Terminator, Abyss, Titanic) sein Engagement für dreidimensionale Unterhaltung.

Der Animationsfilm "Ice Age 3" war 2009 der Startschuss für viele Kinos, einen ihrer Säle auf 3D umzurüsten. Mit seinem Film "Avatar" lieferte Cameron einige Monate später den 3D-Vorzeigefilm schlechthin. Die digitale Fantasiewelt Pandora ist der Star des Films und drängt die platte Story und die realen Hauptdarsteller in den Hintergrund.

Filmgesellschaften und Kinobetreiber nehmen viel Geld in die Hände, um den Zuschauern die dritte Dimension zu bieten. 3D bedeutet spezielle Kameras, Projektoren, Kinosäle und jede Menge Kosten. Der Kinobesucher muss sich mit einem um ein Viertel höheren Eintrittspreis und einer überdimensionalen Brille auf der Nase abfinden.

Dennoch läuft das Geschäft. Die von "Avatar" erzielten Gesamteinnahmen sprengten im Februar die Zwei-Milliarden-Dollar-Marke. Noch nie hat ein Kinofilm so viel Geld eingebracht, und ein Ende ist noch lange nicht in Sicht. Der Streifen läuft immer noch, auch bei Triers einzigem 3D-Anbieter Cinemaxx. "Die Basis dieses Erfolgs ist die 3D-Technik", so die Produktionsfirma.

Damit mag sie recht haben. Denn im Gegensatz zu den Debakeln mit rot-grünen Brillen in früheren Jahrzehnten hat die Filmwirtschaft eine 3D-Technik entwickelt, die der Funktionsweise des menschlichen Auges entspricht und tatsächlich funktioniert. Der Kinobesucher erlebt die optische Illusion, der Film laufe nicht vor ihm auf einer Leinwand, sondern um ihn herum ab. Die Leinwand verschlingt die Zuschauer.

Diese Illusion funktioniert nicht immer fehlerfrei, die Technik ist noch jung. Dennoch haben früher kaum wahrnehmbare Details wie fallende Regentropfen oder die ins Sichtfeld des Zuschauers hineinragende Äste eines Baums eine völlig neue visuelle Bedeutung erlangt. Objekte bewegen sich nicht mehr von links unten nach rechts oben über die Leinwand, sondern kommen aus der Tiefe des Sichtfelds auf den Zuschauer zu - scheinbar bis vor seine Nasenspitze.

Pwr/drDer 3D-Effekt wird zum dramaturgischen Element, der dem inhaltlich simplen "Avatar" mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Oscar-Nominierung bescheren wird. Die letzte optische Zäsur in dieser Größenordnung war die Einführung des Farbfilms.

Hollywood rüstet mittlerweile auch ältere Filme auf 3D um, Toy S tory ist ebenso dabei wie Harry Potter. Zur Fußball-WM in Südafrika soll es Public Viewing in 3D geben, Sony hat einen Vertrag mit der Fifa geschlossen. "Dann haben die Zuschauer den Eindruck, sie seien im Stadion dabei", sagt Sony-Präsident Howard Stringer.

Vorschau



Die kommenden 3D-Filme:

Alice im Wunderland: Tim Burtons neue Variation des Klassikers mit Johnny Depp (Anfang März)

Piranha 3D: Neuverfilmung des 80er-Grusel-Klassikers von Joe Dante (Juli)

Für immer Shrek: Vierter Teil einer der erfolgreichsten Animations-Serien über einen sanftmütigen Oger im Märchenland (Ende Juli)

Toy Story 3: Dritter Teil eines weiteren Animations-Hits. Die kindgerechte Story über lebendiges Spielzeug war einer der ersten großen Erfolge des Branchenriesen Pixar (August).

Extra

Die 3D-Technik: Der Mensch sieht durch die räumliche Distanz seiner Augen zwei leicht versetzte Bilder derselben Szene. Das Gehirn verarbeitet diese Bilder so, dass eine räumliche Wahrnehmung entsteht. Genauso arbeitet eine 3D-Kamera. Zwei nebeneinander montierte Objektive nehmen zwei leicht versetzte Bilder auf. Die 3D-Brille, die der Zuschauer auf der Nase hat, sorgt dafür, dass jedes Auge nur das für es bestimmte dieser beiden Bilder sieht. So werden Augen und Hirn überlistet, und es entsteht eine künstliche räumliche Wahrnehmung.

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