Schüttelreime und gestenreiche Vorträge

Wittlich · Auf unterschiedlichen Niveaus haben die Teilnehmer des ersten Wittlicher Poetry Slams im Haus der Jugend agiert. 14 Bühnenliteraten trugen drei Stunden lang eigene Texte vor. Mit Daniel Wagner aus Heidelberg kürte das Publikum einen erfahrenen Teilnehmer zum Sieger des Dichterwettstreits. Veranstalter war der Verein Kulturraum Trier und das Haus der Jugend.

Wittlich. Erst brachte Daniel Wagner den Einsteigern das Handwerk in einem Workshop bei, dann gewann er den Dichterwettstreit am Freitag Abend im Haus der Jugend. Dabei sah es im Halbfinale gar nicht allzu gut für ihn aus. Lasse Samström (44) machte ihm starke Konkurrenz. Der gebürtige Prümer ist einer der 30 Vollprofis in Deutschland. Die Erfahrung von mehr als 1000 Slams hob ihn weit aus der Masse der Teilnehmer heraus.
Schüttelreime und ein gestenreicher Vortrag sind sein Markenzeichen. Obwohl er froh ist, die Eifel gegen Bonn eingetauscht zu haben, wie er sagt, arbeitet er derzeit daran, einen Poetry Slam im Gerolsteiner Lokschuppen zu gründen.
Die Überraschung des Abends war die Anfängerin Esther Brojdo aus Wittlich. Vor dem Wettbewerb sagte sie noch: "Ich weiß noch nicht, was ich schreibe. Ich lasse mich einfach überraschen." Doch dann schaffte sie es bei ihrem ersten Poetry Slam gleich ins Finale. Weil sie damit nicht gerechnet hatte, musste sie innerhalb von zehn Minuten einen zweiten Text für ihren Vortrag im Finale erfinden.
Dem Publikum bot sich eine große Bandbreite an Texten. Anspruchsvoll gedichtet und erstklassig vorgetragen erzählte Nele Arling aus Koblenz die Geschichte einer Lorbeerernterin. Ihr blieb der Eintritt ins Finale jedoch verwehrt.
Luise Frentzel aus Gera reimte zur Sexismusdebatte und flocht spontan wütende Zeilen an störende Jugendliche aus dem Wittlicher Publikum ein.
Francis Kirps aus Luxemburg gelang es, das Publikum mit humoristischem Nonsens über die chinesische Philosophie und einen kinderfressenden Haustier-Waran zu amüsieren und ins Finale einzuziehen. Veranstalter Peter Stablo vom Kulturraum Trier zeigte sich verblüfft, dass gleich fünf Workshopteilnehmer auf die Bühne wollten. Unter ihnen Lutz Becker aus Wittlich. In seinem düsteren Gedicht tötet er eine Frau. Dann stirbt er ganz lässig durch die Kugel eines Polizisten.
Es standen 14 Kandidaten auf der Bühne, doppelt so viele wie üblich. Unter ihnen Felix Bartsch aus Bonn, der sein Studentenleben beschrieb. Alissar Hawila aus Bitburg und Sarah Gascoin aus Bergweiler rechneten mit ihren Lehrern ab.
Manuel Thiel aus Trier erzählte, wie er sich zum Diktator erhebt, um sich grässlich an einem fiesen Weggefährten aus Kindertagen zu rächen. Leonie Neuerburg aus Hasborn wuchsen in Gedanken Flügel aus dem Rücken, Lukas Spranger aus Nürnberg verlas einen Liebesbrief an eine übergewichtige Lidl-Kassiererin, und Jens Buchner aus Traben-Trarbach trug eine Hymne an seinen Kühlschrank "Kühli" vor.
Extra

Lutz Becker, 20, Wittlich: Ich habe schon einen Text vorbereitet, will aber auch was Neues schreiben. Ich wünsche mir im Workshop zu lernen, wie man das Publikum erreicht, interessiere mich seit langem für Poetry Slams. Leonie Neuerburg, 18, Hasborn: Ich will lernen, wie man die Aussprache verbessern kann. Es geht ja auch darum, Emotionen über die Sprache an die Leute zu bringen. Außerdem macht es Spaß, in einer Gruppe zu arbeiten. hplExtra

Der Sieger des ersten Wittlicher Poetry Slams, Daniel Wagner (29), studiert in Heidelberg Geschichte, Deutsch und Latein. Seit sechs Jahren nimmt er an Slams teil. Im Jahr 2010 war er Vizemeister bei der deutschen Meisterschaft und Landesmeister von Baden-Württemberg. Vor einer Woche ist sein Buch "Voll Assi Muse" im von ihm selbst gegründeten tinx-Verlag erschienen. Zu seinem Sieg in Wittlich sagt der Student: "Das Gewinnen ist eher Nebensache. Es geht mehr um den Spaß." sys

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