Verbandsgemeinde darf Ortskern-Sanierung im Kreis nicht mehr fördern

Wittlich-Land · Die Verbandsgemeinde Wittlich-Land gibt für die Sanierung leerstehender Gebäude in den Ortskernen seit zwei Jahren Zuschüsse. Die Kommunalaufsicht hat das Programm jetzt gestoppt, weil es nicht zulässig ist. Das sorgt für Unverständnis.

Bürgermeister Dennis Junk ist sauer, ebenso die Sprecher der Fraktionen im VG-Rat Wittlich-Land. Die Verbandsgemeinde muss zum Ende dieses Jahres ihr erfolgreiches Förderprogramm "Leben.Liebe.Dorf." einstellen.

Von dem vor zwei Jahren aufgelegten Förderprogramm können Privatpersonen und Gemeinden profitieren, wenn sie leerstehende oder verwahrloste Immobilien in den Dörfern neuen Glanz verleihen. Doch die Kommunalaufsicht der Kreisverwaltung Bernkastel-Wittlich hat der Verbandsgemeinde jetzt einen Strich durch die Rechnung gemacht. Die Behörde bezieht sich auf die Rechtsauffassung des rheinland-pfälzischen Innenministeriums, wonach eine Verbandsgemeinde ein solches Programm nicht auflegen dürfe.

Für solche Aufgaben im Bereich Dorfentwicklung beziehungsweise Dorferneuerung seien die Ortsgemeinden zuständig. Bürgermeister Dennis Junk: "Wir haben viele Gespräche geführt, unsere Argumente vorgetragen und uns bemüht, das Förderprogramm weiterlaufen zu lassen. Letztlich sind wir aber wegen der rechtlichen Beurteilung gezwungen, unser finanzielles Engagement zur Stärkung der Dörfer zum 31. Dezember 2017 einzustellen."

Nach Auffassung Junks ist das Programm sehr gut angenommen worden. Bislang wurden 60 Förderanträge bewilligt. In der VG Wittlich-Land konnten 30 leerstehende Altbauten saniert beziehungsweise modernisiert werden. 15 nicht erhaltenswerte Gebäude - sogenannte Schrottimmobilien - wurden abgerissen, um Freiraum für die neuen Gebäude zu schaffen. Bei 14 Maßnahmen handelt es sich um reine Abbruchvorhaben.

Dadurch konnten Freiflächen geschaffen werden, was die Wohnqualität der umliegenden Wohnungen verbessert. Insgesamt wurden in der VG Wittlich-Land von den 262 Leerständen 59 Leerstände innerhalb von zwei Jahren beseitigt. Bislang hat die VG-Verwaltung Bewilligungsbescheide über 490?000 Euro ausgesprochen.

Die Unterstützung setzt in mehreren Fällen ein. Bei Planungs- und Beratungskosten durch ein Architekturbüro übernimmt die VG die Hälfte der förderfähigen Kosten, maximal jedoch 1500 Euro. Der reine Abbruch nicht erhaltenswerter Gebäude wird ebenfalls unterstützt. Für alle weiteren förderfähigen Maßnahmen (beispielsweise Kauf eines Gebäudes, Sanierung oder Neubau nach Abriss) beträgt die Unterstützung 25 Prozent der Kosten. Maximal steuert die VG 10?000 Euro bei.

Andreas Bollig von der Bauabteilung der VG rechnet vor: "Das Verhältnis der Zuschüsse zu den Gesamtinvestitionen beträgt 490?000 Euro zu 8,5 Millionen Euro. Ein Euro Zuschuss hat also 17 Euro Investitionen ausgelöst."

Die Sprecher aller Fraktionen bedauern das Ende des Förderprogramms. Günter Theis (Grüne): "Wir haben damit Politik für die Bürger gemacht." Angelika Brost (SPD) stellte fest: "Das war auch ein kleines Konjunkturprogramm." Rita Wagner (FDP) sieht in dem Programm auch einen positiven Effekt für den Tourismus und Franz-Josef Krumeich (CDU) fordert, dass das Land die Richtlinien für die Förderung der Dorfentwicklung ändern müsse.

Ulrich Müller (FWG) kritisiert, dass keine Behörde zu keinem Zeitpunkt auf die strengen Regeln für ein solches Förderprogramm aufmerksam gemacht habe. Müller: "Erst nach annähernd zwei Jahren wird uns durch die Kommunalaufsicht die Rechtsauffassung des Ministeriums verdeutlicht, dass wir gegen die Regeln der kommunalen Selbstverwaltung verstoßen und Aufgaben wahrnehmen, die nur den Ortsgemeinden obliegen."

Jetzt müsse man nach einer gesetzeskonformen Lösung suchen. Müller: "Vielleicht gelingt es uns, das Programm oder zumindest Teile davon zu retten." EXTRA

AUFGABEN DER VERBANDSGEMEINDEDie Aufgaben der Orts- und Verbandsgemeinden sind in der Gemeindeordnung festgelegt. Verbandsgemeinden sind unter anderem zuständig für die nach den Schulgesetzen übertragenen Aufgaben, den Brandschutz, den Bau von Sport- und Freizeitanlagen, den Bau überörtlicher Sozialeinrichtungen, die Wasserversorgung, die Abwasserbeseitigung, den Ausbau und die Unterhaltung von Gewässern dritter Ordnung. Ferner kann die Verbandsgemeinde die Aufgaben der Wirtschaftsförderung und der Tourismusförderung, soweit sie von überörtlicher Bedeutung sind, als Selbstverwaltungsaufgabe wahrnehmen. Aufgaben bezüglich Dorfentwicklung oder Dorferneuerung gehören nicht dazu. KOMMENTAR

Von Winfried Simon

Ein leckeres Bonbon,
aber nicht erlaubt
Leerstände beseitigen, alte Häuser sanieren, Schrottimmobilien abreißen und Freiflächen schaffen - kurzum, die Dörfer aufwerten und stärken; wer will das nicht.
Der Bedarf ist da, wie der Blick in viele Dorfkerne beweist. Für private Dorferneuerungsmaßnahmen gibt es bereits Zuschüsse von bis zu 20?000 Euro vom Land. Die zusätzlichen maximal 10?000 Euro von der Verbandsgemeinde werden als Bonbon natürlich gerne mitgenommen. Ob der einzelne Sanierer ohne diese kommunale Zusatzförderung erst gar nicht investiert hätte, ist fraglich. Außerdem sollte man bedenken: Das Geld, das die Verbandsgemeinde für solche sehr gut gemeinten Förderprogramme ausgibt, muss sie sich bei den Ortsgemeinden über die Umlage wieder holen. Jede Medaille hat halt zwei Seiten. Aber darüber zu diskutieren, erübrigt sich jetzt ohnehin. Eine Verbandsgemeinde darf laut Gesetz ein solches Förderprogramm erst gar nicht auflegen. Seltsam nur, dass das über zwei Jahre niemandem aufgefallen ist - weder der Kreisverwaltung noch der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) Trier und auch nicht dem Mainzer Innenministerium.

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