Viele Gräber sind noch unentdeckt

ANDEL. Ewald Pick wollte ursprünglich nur das Grab seines gefallenen Bruders suchen. Daraus wurde aber mehr. Der 79-Jährige sieht sein Engagement als "Arbeit für den Frieden".

Es liegt in der Natur der Sache, dass 60 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs die Zahl der Zeitzeugen immer weiter abnimmt. Doch es gibt immer noch genügend Leute, die sich an die Kriegsjahre erinnern und auch aktiv an deren Aufarbeitung beteiligen. Der 79-jährige Ewald Pick gehört zu ihnen. Er geriet am Ende des Kriegs in russische Gefangenschaft und musste mehrere Jahre in einem Lager in Sibirien verbringen. Pick kam mit dem Leben davon, sein Bruder Rudi nicht. Pick wusste, dass sein Bruder 1944 in Ungarn gefallen war. Doch er wollte das Grab sehen. Deshalb fuhr er ab dem Jahr 1966 regelmäßig nach Ungarn, um die letzte Ruhestätte zu suchen. "Die Suche nach dem Grab meines Bruders brachte mich letztendlich dazu, auch andere Gräber zu finden und darüber hinaus auch weiter zu suchen. So weitete sich das Ganze aus", erzählt er. Seit dieser Zeit sucht Pick in Ungarn nach vermissten Soldaten. Er geht von 52 000 deutschen Soldaten aus, die in Ungarn gefallen sind. 35 000 davon sind namentlich bekannt. Gefunden und würdevoll begraben wurden seiner Meinung nach nur circa 5000. Er selbst schätzt die Zahl der von ihm gefundenen toten Soldaten auf 100. Unterstützung erhält er vom Verein für die Bergung Gefallener im Osten und vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Für die Exhumierung der Soldaten sind Fachleute aus der Slowakei zuständig. Es gibt aber auch viele Freiwillige aus ganz Europa, die sich im Urlaub an der Suche beteiligen. Pick profitiert bei der Arbeit davon, dass er in der Gefangenschaft auch mit Ungarn zusammen war und deren Sprache lernte. Im Lauf der Zeit hat er auch viele Einheimische kennen gelernt, die ihn bei der Suche unterstützen. Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs wurde die Arbeit dann sowieso leichter. "Vorher musste ich vieles verdeckt machen", erzählt Pick. Problemlos läuft die Arbeit erst seit Ende 1993, als Ungarn dem Internationalen Kriegsgräber-Abkommen beitrat. Picks Bruder war nicht einmal richtig beerdigt sondern nur auf freiem Feld verscharrt worden. Er wurde erst im vergangenen Jahr exhumiert. Als Ewald Pick im Juli 2004 in einer Todesanzeige im TV das Schicksal seines Bruders anzeigte, meldeten sich viele Leute, die ebenfalls Angehörige verloren hatten. Rudi Pick und die anderen exhumierten Soldaten fanden ihre letzte Ruhestätte auf dem Soldatenfriedhof in Budaörs in der Nähe der Hauptstadt Budapest. Picks Arbeit erweckt Medieninteresse

"Er hat sein Leben für verantwortungslose Politiker gelassen", stand unter der Anzeige. Ewald Pick versteht sein Tun deshalb auch als "Arbeit für den Frieden". Circa 30 000 Kilometer hat er in all den Jahren mit dem Wohnmobil zurückgelegt. In Ungarn ist die Arbeit von Ewald Pick nicht unbemerkt geblieben. Zeitungen berichten regelmäßig über sein Engagement. Das regionale Radio widmete ihm im vergangenen Jahr eine halbstündige Sendung. Pick hatte viel zu erzählen - natürlich in bestem Ungarisch. Mittlerweile ist Ungarn zur zweiten Heimat von Ewald Pick geworden. Zusammen mit seiner Frau verbringt er mehrere Monate des Jahres in der Kleinstadt Törökszentmiklós, die ein bekanntes Thermalbad in ihren Mauern hat.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort