Vor nichts ist man sicher

Jeder Mensch hat ein Bedürfnis nach einem gewissen Maß an Zuverlässigkeit, nach Dingen, die sich wiederholen und die er kennt. Das beginnt beim morgendlichen Aufstehritual. Wenn ich jeden Morgen neu darüber nachdenken würde, wie ich den Tag heute beginnen soll, bliebe ich gleich in den ersten fünf Minuten in einem Wust von Möglichkeiten stecken.

Wir brauchen ein gewisses Maß an Gewohnheit. Deshalb schaffen wir uns Alltagsrituale. Man kann es allerdings auch übertreiben. Manche regeln ihren Tagesablauf vom Weckerklingeln bis zum Löschen der Nachtischlampe am Abend, versichern sich gegen alles und jedes. Und trotzdem passieren Dinge, die nicht berechnet werden konnten. Wir sind vor nichts sicher, das lehren uns unsere Lebenserfahrung und die Ereignisse, die uns unerwartet und oft sehr schmerzvoll treffen. Wir möchten davon laufen, uns in Sicherheit bringen. Doch es gelingt nicht, das Erlebte holt uns wieder ein. Kennen Sie die Angst, in einem unbekannten Gewässer beim Schwimmen unvermutet den Grund zu berühren? Ich verkrampfe mich in meinen Bewegungen und habe nur einen Gedanken: Nur nicht den Boden berühren. So kommt mir das Leben manchmal auch vor: an der Oberfläche paddeln und auf Nummer sicher gehen, um nicht auf dem Boden zu landen. Und doch ist da die Hoffnung: das Leben ist kein vergebliches Paddeln gegen den auf mich zutreibenden Tod. Wir gehen zu auf einen großen Moment am Ende, in dem sich plötzlich alles löst und von uns abfällt. Manchmal spüre ich es schon: Ich lasse los und finde Grund, den Grund meines Lebens. Ich fühle mich sicher, habe Boden unter den Füßen. Gott, der Grund meines Lebens. Von ihm komme ich her, auf ihn gehe ich zu. Das ist sicher. -pf./dj Pfarrerin Susanne Triebler

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