Es stinkt und blubbert am Wallfahrtsort

Heutzutage kommen Wallfahrer nach Trier. Im zweiten und dritten Jahrhundert nach Christus pilgerten sie in den Wald von Heckenmünster zu einem Quellheiligtum. Dort standen ihnen Tempel, Bühne, Herbergen und Bad zur Verfügung. Heute kommen nur noch Wanderer zu den Quellen. Bis heute wird dem Schwefelwasser heilende Wirkung nachgesagt.

Heckenmünster. Den Galliern galten Quellen als Naturheiligtümer. Wie sie sie verehrten, zeigt sich etwa zwei Kilometer von Heckenmünster im Wald. Dort legte das rheinische Landesmuseum 1966 und 1967 Reste eines gallorömischen Quellheiligtums aus dem 2. Jahrhundert nach Christus frei. Heute sind die Mauerreste wieder im Boden verschwunden, doch die beiden Quellen gibt es noch immer. Wanderer, die auf dem Karl-Kaufmann Weg oder der Erlebnisschleife Meulenwald unterwegs sind, machen hier Rast, bestaunen die Viktoriaquelle und wundern sich über den Gestank der brodelnden Schwefelquelle, die nur wenige Meter auseinanderliegen. Beide sind Sickerwasserlöcher, durch die Gas brodelnd austritt.
Im zweiten und dritten Jahrhundert herrschte hier reger Betrieb. Denn dem Wasser wurden heilende Kräfte zugeschrieben. Die Menschen nutzten es unter Gebeten und rituellen Handlungen zu Trink- und Badekuren. Die Mauerreste sind zwar alle römischen Ursprungs, doch vermuten Forscher, dass bereits vorher die Kelten den Platz als mystischen Ort aufsuchten.
Wo heute dichter Laubwald steht, gab es Unterkünfte für Pilger, eine Badeanlage, Tempel und ein Theater für kultische Spiele aus rotem Sandstein. Der Bezirk mit drei Tempeln war 75 Meter lang und 33 Meter breit. Doch welche Götter hier herrschten beantworten die Funde nicht.
Erwiesen ist, dass es mehrere Unterkünfte für Pilger gab, die von Trier aus einen Tag unterwegs waren, bis sie den Wallfahrtsort erreichten. Eine der Herbergen maß 30 mal 20 Meter und bot Zimmer an, die rund um einen Innenhof gelegen waren. Hinein gingen die Pilger durch eine Säulenhalle, die links und rechts von zwei eckigen, aus der Fassade vorspringenden Gebäudeteilen eingefasst war.
In der Schrift "Das Quellheiligtum Wallenborn bei Heckenmünster" vermutet Archäologe Wolfgang Binsfeld, dass die Wallfahrtsstätte im Zusammenhang mit den Germaneneinfällen 275/276 nach Christus aufgegeben wurde. Fundstücke aus dem 4. Jahrhundert bezeugen jedoch, dass es auch später noch Besucher gab.
Geblieben sind die Quellen. Es gab Pläne, die Grundmauern zweier Tempel zu restaurieren und aufzumauern, um ihre Grundrisse sichtbar zu machen. Die Finanzierung stand, Genehmigungen lagen vor. Doch der private Eigentümer des Waldes brachte das Projekt zum Scheitern. Denn der Unternehmer aus Idar-Oberstein verlangte die jährliche Zahlung eines vierstelligen Betrages als Entschädigung, weil er befürchtet, dass Besucher die Jagd beeinträchtigten. Diese Summe kann sich die Gemeinde nicht leisten, sagt Ortsbürgermeister Birger Führ, der bedauert, dass die Kultstätte im Verborgenen bleibt.
Extra

Wer die Viktoriaquelle besuchen möchte, kann sich am 20. Mai einer Wandergruppe anschließen. Der Eifelverein lädt ein zu einer geschichtlichen Rundwanderung im Rahmen der Aktion "Meulenwald - Wald des Jahres 2012". Der acht Kilometer weite Weg führt über die Viktoriaquelle. Treffpunkt ist am 20. Mai um 10 Uhr an der Schutzhütte Dierscheid. Die Wanderung dauert ungefähr vier Stunden. Anmeldungen nimmt Hermann Lossbrand unter der Telefonnummer 06508/529 entgegen. sysExtra

Glaubt man Hermann Lossbrand, dem Vorsitzenden der Ortsgruppe Wittlich-Land im Eifelverein, wird das Wasser der Schwefelquelle heute noch gegen Wurmerkrankungen bei Tieren eingesetzt. Selbst die Menschen tranken es, weil sie an seine heilende Wirkung glaubten. "Es muss scheußlich schmecken, aber wohl helfen", sagt Lossbrand aus Erfahrung. Der Vater des 64-jährigen Dierscheiders hat es bei Magenbeschwerden getrunken. Manchen Vögeln bekam das Kohlendioxid, das aus der Quelle strömte, dagegen gar nicht. Sie erstickten. Das Wasser der Viktoriaquelle war besonders beliebt bei den Frauen aus den umliegenden Dörfern. Sie nutzten das Quellwasser, wenn sie "Heddelichkuchen", eine Art Pfannekuchen backen wollten. Die gelangen damit besonders gut. Ihren Namen erhielt die Viktoriaquelle vor 100 Jahren von der Firma, die das eisenhaltige Sprudelwasser bis zum Ersten Weltkrieg im großen Stil in Flaschen abfüllte und verkaufte. Bis nach Amerika sei das Wasser verschickt worden, erzählt man sich in Dierscheid. sys

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