Ein geduldiger Richter, der wütend wird

Luxemburg · Neben dem Piloten der vor neun Jahren abgestürzten Luxair-Maschine steht nun auch der ehemalige Chefmechaniker der Fluggesellschaft im Fokus des Prozesses vor dem Luxemburger Bezirksgericht. Ihm wird eine Mitschuld an der Katastrophe gegeben.

Luxemburg. Richter Prosper Klein ist ein wirklich geduldiger Mensch. Mit stoischer Ruhe fragt er den ehemaligen leitenden Mechaniker der Luxair immer wieder, ob er denn vor dem Absturz der Fokker 50 am 6. November 2002 von den Service-Schreiben des Flugzeugbauers gewusst habe.
Darin ist auf den technischen Mangel hingewiesen worden, der zur Katastrophe geführt hat. Fokker hat wohl schon 1988 festgestellt, dass in den Maschinen vom Typ Fokker 50 der Schubumkehrhebel während des Fluges betätigt werden kann - und dass damit die Propeller in eine Stellung gebracht werden können, die nur nach der Landung möglich sein soll. Drei Jahre, bevor Luxair die erste Maschine dieses Typs kaufte. Genau die, die elf Jahre später abgestürzt ist.
1994 und 1998 hat der niederländische Flugzeughersteller seine Kunden in Schreiben auf den Mangel hingewiesen, ohne aber das - laut Experten einfache - Austauschen der entsprechenden Teile vorzuschreiben. 1998, also vier Jahre vor dem Absturz, hat Fokker darauf hingewiesen, dass es "jederzeit" zu einer Panne kommen könne, weil die automatische Sicherung der Hebel für 16 Sekunden aussetzen könne. Genau diese 16 Sekunden haben vor neun Jahren 20 Menschen das Leben gekostet.
Doch der ehemalige Flugzeugmechaniker wiederholt immer wieder, dass der Austausch ja nicht verpflichtend gewesen sei. Und dass er sich eigentlich gar nicht daran erinnern könne, die Service-Schreiben von Fokker gesehen zu haben. Richter Klein gibt dem vor ihm stehenden Angeklagten unmissverständlich zu verstehen, dass er ihm nicht glaube. Und dass er in ihm, neben dem angeklagten Piloten der Maschine, offenbar den Hauptschuldigen für das Unglück sieht. "Sie glauben, Sie können sich hinter der Formulierung, dass der Austausch nicht obligatorisch gewesen ist, verstecken." Und: "Sie wollen Ihre Haut retten", wirft Klein dem zunehmend unsicherer werdenden Mechaniker vor. Schließlich sei es in den Empfehlungen von Fokker nicht um die "Farbe des Toilettenpapiers" gegangen, sondern um einen offenkundigen Sicherheitsmangel.
Es ist das zweite Mal, dass der Techniker in dem seit 10. Oktober laufenden Prozess aussagen muss. Eigentlich wollte Klein ihm nur noch "ein, zwei Fragen" stellen, die ihm "keine Ruhe" ließen. Schließlich dauert die Befragung dann doch fast 90 Minuten.
Ob denn die Hebel zu den sicherheitsrelevanten Teilen des Flugzeugs gehört haben und damit unbedingt hätten ausgetauscht werden müssen, will der Richter wissen. Doch das Ja, das Klein hören will, kommt dem Angeklagten nicht über die Lippen. Es habe keinen Grund gegeben, das Teil auszutauschen, sagt er stattdessen.
"Solange es funktioniert hat, war ja auch alles gut", kommentiert der Richter süffisant die Aussagen des Mechanikers, der darauf verweist, dass die Maschine einen Tag vor dem Absturz noch gecheckt worden sei.
"Der Motor des Flugzeugs war in Ordnung. Aber das, was nicht in Ordnung war, das war seit 1991 bekannt - und das macht mich wütend", schimpft Klein daraufhin.
Eigentlich sollte am mittlerweile 20. Verhandlungstag mit den Schlussplädoyers begonnen werden. Doch nur der Anwalt der luxemburgischen Pensionskasse, die dem Mann und dem Kind der beim Absturz gestorbenen Stewardess Rente bezahlt, kam noch zu Wort. Die Kasse macht gegenüber den Angeklagten Ansprüche geltend. Der Pilot sei der Hauptschuldige, er habe absichtlich das fatale Landemanöver eingeleitet, sagt der Anwalt.
Der 36-jährige Pilot fehlt seit einigen Tagen bei dem Prozess. Dem Vernehmen nach soll er sich in psychologischer Behandlung befinden.
An den kommenden Prozesstagen sollen die Anwälte der fünf Nebenkläger und der sieben Angeklagten ihre Plädoyers halten. Zum Schluss plädiert der Staatsanwalt.
Einige Plädoyers sollen mehrere Stunden dauern. Daher ist der Prozess um eine Woche verlängert worden - bis zum 2. Dezember.

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