Frühere Awo-Führung vor Gericht

TRIER. (DiL) Vor der Wirtschaftsstrafkammer des Amtsgerichtes Trier beginnt heute die juristische Aufarbeitung der Awo-Pleite im Jahr 1999. Angeklagt sind der damalige Geschäftsführer Udo Hermesdorf und drei frühere ehrenamtliche Vorstandsmitglieder.

Untreue und Beihilfe zur Untreue sind die Delikte, die der Staatsanwalt den Angeklagten in erster Linie vorwirft - teils einzeln, teils gemeinschaftlich. So sollen zwei der Vorstandsmitglieder dem einstigen Geschäftsführer einen Gebäudeteil der Awo-Zentrale am Römersprudel zur privaten Nutzung weit unter Wert verkauft haben. Dazu kommen angebliche Bilanzmanipulationen und Luftgeschäfte mit dem Ziel, die Liquidität der chronisch defizitären Awo-Unternehmen zu sichern. Außerdem soll Hermesdorf Sozialversicherungsbeiträge der Awo-Mitarbeiter nicht ordnungsgemäß abgeführt haben. Die Vorgänge als solche werden im Verfahren wahrscheinlich weniger umstritten sein als die Frage, wer wann was gewusst hat. Schon als der Skandal aufflog, wurde deutlich, dass der geschäftsführende Vorstand um den Vorsitzenden Helmut Propson sich von seinem Geschäftsführer hinters Licht geführt fühlte. Udo Hermesdorf hingegen betonte stets, der Vorstand sei bei allen Transaktionen einbezogen gewesen. So dürfte heute auf der Anklagebank alles andere als Eintracht herrschen. Das war einmal anders. Mitte der Neunziger Jahre waren Hermesdorf und Propson angetreten, um die "neue Awo" aufzubauen. Neu, das hieß vor allem: eine Arbeiterwohlfahrt ohne den langjährigen Vormann August Hertmanni. Hertmanni galt als Personifizierung des Sozialverbands, aber auch als eigenwilliger Autokrat. Er selbst hatte Hermesdorf von der städtischen Sozialverwaltung als Kronprinz zur Awo geholt. Dann geriet er ins Straucheln, stolperte über manch merkwürdiges Geschäftsgebaren. Hermesdorf trat als Saubermann seine Nachfolge an, flankiert vom neuen Vorsitzenden Propson und seinem Stellvertreter Hans Hardt, später auch vom hinzu gewählten Hans Weber. Hermesdorf entwickelte ehrgeizige Pläne, wollte neue Geschäftszweige für die Arbeiterwohlfahrt erschließen. Großprojekte im Bereich des Seniorenwohnens, Aufbau eines Catering-Betriebes, sogar ein Reisebüro war angedacht. Dazu kamen das bereits vorhandene Möbellager und die Zivildienstschule. Der Vorstand stützte den Expansionskurs. Doch die erhofften Einnahmen blieben aus. Die Situation der Awo-Firmengruppe sei dadurch geprägt gewesen, "dass die Mehrzahl ihrer Einrichtungen nur defizitär betrieben werden konnte", weshalb "durchgehend operative Verluste" erwirtschaftet worden seien, heißt es in der Anklageschrift. Beim Versuch, die Betriebe zu retten, haben die Verantwortlichen nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft mehrfach gegen Recht und Gesetz verstoßen. Wie das im Einzelfall zu bewerten ist, soll das Verfahren klären, zu dem allein die Anklage ein Dutzend Zeugen benannt hat. Den drei früheren Vorstandsmitgliedern droht derweil nicht nur im Strafverfahren Ungemach: In einer Zivilklage fordert der Awo-Insolvenzverwalter mehrere hunderttausend Euro Schadenersatz.

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