Hafensperre für Rettungsschiffe?

Rom/Brüssel/Berlin · Tausende Migranten kommen jeden Monat in Italien an. Das Land will von den EU-Partnern entlastet werden - oder seine Küsten dichtmachen.

Rom/Brüssel/Berlin (dpa) Fast alle der im Mittelmeer geretteten Migranten kommen in Italien an Land. Die Regierung in Rom droht mit Abweisung von Rettungsschiffen. Doch so einfach ist das nicht.Warum ruft Italien um Hilfe?Seit Anfang des Jahres haben bereits mehr als 85 000 Gerettete die italienischen Küsten erreicht. Das sind laut Innenministerium in Rom 18 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Italien sieht sich am Limit und alleingelassen - weshalb die Regierung in Rom nun erneut auf baldige und konkrete Hilfe der europäischen Partner dringt. Italien will durchsetzen, dass wenigstens ein Teil der Geretteten in anderen Mitgliedstaaten aufgenommen wird.Wer rettet im Mittelmeer und bringt die Migranten nach Italien?Nach internationalem Seerecht sind alle Schiffe dazu verpflichtet, ihre Fahrt zu unterbrechen, um Schiffbrüchige an Bord zu nehmen. An Rettungen im Mittelmeer sind neben der italienischen Küstenwache und der EU-Grenzschutzagentur Frontex also auch zivile Schiffe beteiligt. Unter mindestens zehn Hilfsorganisationen, die mit mehr als einem Dutzend Schiffen im Mittelmeer Leben retten wollen, sind etwa die deutschen Jugend Rettet, Sea Watch und Sea-Eye.Welchen Schiffen könnte die Einfahrt in die Häfen verwehrt werden?Zunächst war von Rettungsschiffen die Rede, die nicht unter italienischer Flagge fahren. Nun will die italienische Regierung einem Bericht der Welt zufolge ihre Häfen für unkooperative Hilfsorganisationen sperren, die sich nicht stärker überwachen lassen oder ihre Finanzen offenlegen wollen. Das Innenministerium in Rom hat es darüber hinaus auch auf Schiffe abgesehen, die im Rahmen der EU-Operation Triton im Mittelmeer unterwegs sind und oft Migranten retten. Innenminister Marco Minniti fordert, dass die Grenzschutzagentur Frontex die Triton-Mission dahingehend prüft, ob im Rahmen der Operation gerettete Migranten nicht auch in andere europäische Häfen gebracht werden können.Kann Italien auf Unterstützung seiner Forderung hoffen?Bei Frankreich und Spanien ist das Land mit dem Wunsch nach Öffnung der Häfen bereits abgeblitzt, wie EU-Diplomaten bestätigen. Die EU-Kommission hat zwar großes Verständnis für die Notlage Italiens. Doch die Entscheidung, zusätzlich Migranten aus Italien aufzunehmen, liegt bei den EU-Staaten selbst, nicht in Brüssel. Die EU-Kommission will das Land nun mit weiteren 35 Millionen Euro unterstützen, wie es ein Aktionsplan vorsieht, der am Dienstag vorgestellt wurde. Doch statt weiter konkrete Entlastung anzubieten, werden zahlreiche Forderungen an Italien gestellt, wie zum Beispiel die Aufstockung von Aufnahmekapazitäten und eine erheblich schnellere Bearbeitung von Asylanträgen.Gibt es rechtliche Hürden für ein Hafenverbot?Eigentlich darf Italien Schiffe mit geretteten Migranten nicht abweisen, davon ist der Kieler Seerechtsexperte Uwe Jenisch überzeugt. "Das ist nur ein politisches Manöver, um die Solidarität der europäischen Partner zu erreichen", sagt er. Gegen eine Hafensperre spreche das Nothafenrecht, wonach Schiffe in Not, etwa aufgrund von technischen Problemen oder mit Schiffbrüchigen an Bord, Anspruch auf das Einlaufen in den Hafen haben. "Wenn da ein Schiff kommt mit 100 Flüchtlingen, mit Hunger, Durst, Krankheit, dann muss man sie reinlassen", sagt Jenisch. Fragen & Antworten Migranten im Mittelmeer

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