Mit harten Bandagen

TRIER. Vor der dritten großen Strafkammer des Landgerichts wird derzeit ein Fall aufgerollt, der alle Züge eines spektakulären Beziehungsdramas hat. Einem 43-jährigen Landwirt wird vorgehalten, seine Ex-Lebensgefährtin bedroht, genötigt, verletzt und mit dem Auto von der Straße gedrängt zu haben.

Wäre in einem Fernsehfilm die Rolle des Sympathieträgers zu besetzen, man würde wahrscheinlich nicht auf Frank T. zurückgreifen. Harte Züge, Schnauzbart, streng gescheiteltes Haar, so sitzt er zwischen seinen drei (!) Verteidigern. Unablässig macht er sich Notizen, redet auf seine Anwälte ein. Sagen Zeugen zu seinen Gunsten aus, wirft er schon mal einen triumphierenden Blick in Richtung der Nebenklage-Vertreterin. Aber es ist eher die Ausnahme, dass Zeugen zu seinen Gunsten aussagen.Frank T. soll immer wieder mit Gewalt gegen seine Lebenspartnerin Petra G. vorgegangen sein. Die 37-jährige Show-Reiterin lebte mit ihm auf einem Hof in einem kleinen Ort nahe Wittlich. Schläge, Handgreiflichkeiten, Würgen mit einem um den Hals geknoteten T-Shirt: So sagt es die Anklageschrift. Als sie sich von ihm trennte, soll er ihren Wagen auf einem Serpentinenweg mit seinem Auto abgedrängt und in eine Böschung gerammt haben.Dass er die Vorwürfe offenkundig bestreitet und ansonsten schweigt, sagt nichts über die Richtigkeit der Anklage. Aber es macht den Prozess kompliziert. Denn wo wichtige Einlassungen fehlen und Sachbeweise Mangelware sind, geht es um die Glaubwürdigkeit von Aussagen und um die Bewertung von Persönlichkeiten. Mit entsprechend harten Bandagen wird in solchen Prozessen gekämpft.Lähmendes Misstrauen macht sich breit

Aber dieses Verfahren sprengt die üblichen Maßstäbe. Privatdetektive sind unterwegs, um das Umfeld des mutmaßlichen Opfers auszuforschen. Sie tragen "Belastungsmaterial" zusammen, schleppen etwa ominöse Aussagen aus dem familiären Umfeld an, nach denen die Frau geldgierig, unglaubwürdig und berechnend sei. Es macht sich Misstrauen im Verfahren breit, lähmendes Misstrauen. Nachbarn, die den Angeklagten als unberechenbar und gewalttätig schildern, müssen sich inquisitorische Fragen der Verteidigung gefallen lassen. Ein früherer Partner der 37-Jährigen, der ihr ein gutes Leumundszeugnis ausstellt, wird peinlich genau nach seiner aktuellen Beziehung zu dem mutmaßlichen Opfer gefragt. Beim Versuch, die Glaubwürdigkeit von Zeugen zu erschüttern, geht die hochkarätig besetzte Anwaltsbank nicht mit Glacéhandschuhen vor.Freilich trägt Petra G. auch nicht gerade zu einer Vereinfachung des Verfahrens bei. Offiziell nimmt sie an der Verhandlung nicht teil, lässt sich von ihrer Nebenklage-Anwältin vertreten. Aber dennoch taucht sie im Umfeld immer wieder auf, chauffiert Zeugen zur Verhandlung, trifft sich mit ihnen in der Mittagspause.Es herrscht kalter Krieg zwischen den Parteien. Und der bringt merkwürdige Erscheinungen hervor. Eine frühere Lebensgefährtin des Angeklagten, die bei der Polizei von massiven Gewalt-Übergriffen berichtet hatte, relativiert vor Gericht viele ihrer Aussagen und wirft der Kripo verfälschte Zitate vor. Anderen Zeugen wiederum, deren Aussage längst beendet ist, fallen plötzlich belastende Details gegen den Angeklagten ein, die sie vorher "einfach vergessen" hatten.Der Vorsitzende Richter Jörn Schlottmann ist in seinem letzten großen Prozess nicht zu beneiden. Zumal die Verteidigung auf Kampf-Kurs geht und sich von Anfang an vorsorglich und mit Akribie auf die Suche nach Verfahrensfehlern macht.Das könnte auch nötig sein, denn das Gesamtbild, das die Zeugen, darunter frühere Freundinnen, vom Angeklagten vermitteln, ist kaum geeignet, ihn zu entlasten. Immer wieder ist von Gewalttätigkeiten die Rede, von Ausrastern und Eifersuchts-Attacken. Zu oft, um die Vorwürfe einfach per Verschwörungstheorie abzutun. Aber selten so genau, dass strafrechtlich relevante Tatbestände mit der nötigen Präzision dokumentiert werden können. Doch da ist ja noch die Aussage des mutmaßlichen Opfers. Keine vage Beschreibung, sondern präzise Angaben, die der Staatsanwaltschaft ermöglicht haben, eine sehr genaue Schilderung der Auto-Attacke und weiterer Angriffe in der Anklageschrift festzuhalten. Da wird es selbst eine kunstvolle Verteidigung schwer haben, substanzielle Zweifel zu säen. Richter Schlottmann hat weitere Verhandlungstermine bis Ende Juli angesetzt – doppelt so viele wie geplant. Danach ist für ihn das Verfahren zu Ende, wegen Ruhestands. Angesichts möglicher Überraschungen hat sich die Kammer für alle Eventualitäten gerüstet: Eine Ersatzrichterin ist seit dem ersten Verhandlungstag dabei.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort