Regierung will Zecken-Krankheit bekämpfen

Demonstrativ hat der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Wolfgang Zöller (CSU), gestern in Berlin an einer Protestveranstaltung der Betroffenenorganisation "Borreliose Bund Deutschland" teilgenommen. Die Regierung will das Bewusstsein für die teilweise gravierenden Folgen von Zeckenbissen schärfen und fordert einen Runden Tisch von Ärzten, Wissenschaft, Patienten und Kassen, um das Vorgehen endlich zu koordinieren.

Berlin. Die Krankheit Borreliose wird sehr häufig verkannt; die Betroffenen durchlaufen teilweise über Jahrzehnte horrende Krankengeschichten. Wolfgang Zöller, Patientenbeauftragter der Regierung, will bei der nächsten Gesundheitsministerkonferenz die Einführung einer bundesweiten Meldepflicht anregen, die bisher nur in den neuen Ländern gilt. Der CSU-Politiker stimmte Schätzungen zu, dass bereits 800 000 bis eine Million Menschen in Deutschland an der chronischen Form der Borreliose leiden.

"Das ist keine seltene Krankheit", sagte Zöller. "Sondern eine von den Krankheiten, die am meisten unterschätzt und verharmlost werden". Es gebe ein Forschungs-, ein Diagnose- und ein Therapiedefizit, sagte der Politiker. Zöller bestätigte damit drastische Schilderungen der Betroffenen-Organisation. Erkrankte werden demnach oft nicht ernst genommen, als Hypochonder abqualifiziert oder gar, wenn sie älter sind, als demenzkrank eingestuft. Oder sie werden fehltherapiert, etwa gegen Rheuma, Depression oder Multiple Sklerose. Nicht selten endet die Infektion mit lebenslangen Schmerzen, Arbeitsunfähigkeit und der Zerstörung sozialer Beziehungen.

Nachstehend die wichtigsten Fragen und Antworten zu der Erkrankung:

Was ist Borreliose?

Eine durch Zeckenbiss übertragene Infektion mit dem Bakterium borrelia burgdorferi, das dem Syphilis-erreger ähnelt. Grippale Erkrankungen zu Beginn, dann Gelenkentzündungen, Konzentrations- und Koordinationsstörungen sowie Muskelschmerzen sind die häufigsten Folgen. Die Durchseuchungsrate der Zecken mit dem Borreliose-Erreger liegt bei zehn Prozent in Norddeutschland und bei bis zu 30 Prozent im Süden. Sie ist damit wesentlich höher als bei der ebenfalls durch Zecken übertragenen, besser erkennbaren Viruserkrankung Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME). Bei etwa jedem vierten Biss einer mit Borreliose infizierten Zecke wird die Erkrankung auch übertragen.

Wie erkennt man eine Erkrankung?

Nur bei etwa der Hälfte der Infektionen tritt nach einem Zeckenbiss eine oft großflächige Rötung rund um die Einstichstelle (Wanderröte) auf. Sie gilt als sicheres Zeichen einer Erkrankung.

Ansonsten ist der Befall zunächst gar nicht sicher erkennbar. Antikörper bilden sich erst vier bis sechs Wochen nach einer Infektion. Blutuntersuchungen bringen bisher keine 100-prozentige Erkenntnis und sind, vor allem wenn die Krankheit schon chronisch geworden ist, aufwändig und kompliziert.

Was soll man nach einem Zeckenbiss tun?

Bei der Behandlung der Borreliose ist Zeit der entscheidende Faktor. Die Zecke möglichst schnell mit einer Zange entfernen, denn die Übertragung der Krankheit erfolgt meist erst acht Stunden nach dem Festsaugen. Das Tier dabei keinesfalls mit Öl oder Klebemitteln beträufeln.

Die Zecke nicht wegwerfen oder vernichten, sondern zur Untersuchung auf Borreliose-Befall beim Arzt abgeben. Wenn die Zecke infiziert war, raten Ärzte zur sofortigen Therapie mit Antibiotika, die mit 90-prozentiger Sicherheit hilft. Gleiches gilt, wenn eine Wanderröte nach einem Zeckenbiss aufgetreten ist. Etwa vier Wochen nach einer Infektion streut die Krankheit in den ganzen Körper und ist dann ungleich schwer zu diagnostizieren und zu behandeln.

Oft werden die Symptome auch mit anderen Erkrankungen, etwa Rheuma, verwechselt, weil der Zeckenbiss nicht mehr bekannt ist. Eventuell ist eine monatelange Antibiotika-Therapie nötig.

Es gibt bisher jedoch keine ausgeprägte Therapieforschung zur chronischen Borreliose; die Ärzteschaft vertritt ebenso wie die Kassen unterschiedliche Meinungen und Ansätze - bis hin zur kompletten Verneinung dieser speziellen Krankheit. Diesen Zustand will die Bundesregierung nun offenbar beenden. Hintergrund Auch in der Region Trier können sich Menschen mit Borreliose anstecken. Das sagt der stellvertretende Leiter des Gesundheitsamts Trier, Horst van Hees. In 1,5 bis sechs Prozent der Zeckenbisse bestehe die Gefahr einer Erkrankung. Genaue Zahlen über Borreliose-Fälle gebe es nicht. "Wir haben hier im Vergleich zu anderen Regionen keine Meldepflicht". Was die andere Krankheit nach einem Zeckenbiss, FSME, betrifft, gebe es für die Region Trier Entwarnung. Der Landkreis Birkenfeld gelte aber als "formales" Risikogebiet. "FSME ist dort aber seit Jahrzehnten kein Thema mehr".

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