Sensible Daten hinter schusssicherem Glas

Trier · Die Hacker-Attacke auf das Computersystem des Bundestags hat Politiker und Sicherheitsexperten alarmiert. Wäre ein ähnlicher Angriff auch auf das Netz des Mainzer Landtags oder andere Behördenrechner möglich?

Trier. Wenn sich die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer allwöchentlich hinter verschlossenen Türen mit ihrem Kabinett trifft, bleiben die Handys der Ministerinnen und Minister außen vor. Zu groß ist die Gefahr, dass die Mobiltelefone oder Smartphones von Unbekannten manipuliert und zu Mikrofonen mit Abhörfunktion umgewandelt worden sind. Um ganz sicher zu gehen, kamen die Diensthandys im vergangenen Jahr sogar noch zusätzlich in eine Keksdose, die das unbemerkte Belauschen der Landespolitiker ganz und gar unmöglich machen sollte.
An diese Vorsichtsmaßnahmen, zumindest teilweise resultierend aus den Lauschangriffen des amerikanischen Auslandsgeheimdienstes NSA, wird man angesichts der aktuellen Diskussionen über die Hacker-Attacke auf den Bundestag unweigerlich erinnert. Dabei würde ein ähnlicher Cyber-Angriff in Rheinland-Pfalz auf vom Landesbetrieb Daten und Information (LDI) betreute Systeme keine derart verheerende Wirkung wie in Berlin entfalten, glaubt LDI-Geschäftsführer Matthias Bongarth. "Wir hätten einen solchen Hacker-Angriff auch dank unserer Angriffserkennungssysteme früh genug festgestellt", sagt Bongarth.
Der LDI-Chef ist hörbar stolz auf seinen Betrieb, der vor zwölf Jahren aus dem in die Kritik geratenen Daten- und Informationszentrum des Landes hervorging (siehe Stichwort). Dies mag auch daran liegen, dass auf die vom LDI geschützten Netze und Computer zwar auch schon haufenweise Angriffe gestartet wurden, von Schäden wie jetzt im Computersystem des Bundestags aber nie etwas zu hören war.
Vor einiger Zeit lobte deshalb Innen-Staatssekretärin und IT-Landesbeauftragte Heike Raab (SPD) den Landesbetrieb über den grünen Klee. Vor dem Hintergrund eines seinerzeit aktuellen Hacker-Angriffs gegen Bundespolizei und Zoll meinte Raab, mit dem LDI sei Rheinland-Pfalz "hervorragend gerüstet".
Würde sich diese Aussage irgendwann als frommer Wunsch erweisen, wäre dies mehr als peinlich. Denn die Daten, die der Landesbetrieb vor unbefugtem Zugriff schützen will, sind äußerst sensibel: Fahndungsdaten der rheinland-pfälzischen Polizei, Akten der Justiz oder Zulassungsdaten von Kraftfahrzeugen.
Das zentrale Rechenzentrum des LDI in Mainz ist denn auch äußerlich entsprechend gesichert: Es hat schusssicheres Panzerglas und ist gegen Flugzeugabstürze und Stromausfälle bis zu zwei Wochen geschützt. Und: Es wird von Mitarbeitern rund um die Uhr überwacht. Soll heißen: Wenn etwas im Argen liegt, können die Computerspezialisten direkt loslegen.
Vor vier Jahren wurde eigens eine Art behördenübergreifende Schnelleinsatztruppe zum Beheben von IT-Störfällen mit dem Namen CERT (Computer Emergency Response Team) gegründet. Eine Einrichtung, auf die Bongarth hörbar stolz ist: "Die Zusammenarbeit zwischen Cert und den Verwaltungen vor Ort klappt hervorragend", sagt der LDI-Chef. Wenn die Spezialisten in Mainz einen Sicherheitsvorfall in Trier oder anderswo feststellen, rufen sie dort an, und der möglicherweise mit einem Trojaner infizierte Computer wird sofort vom Netz genommen, um keinen weiteren Schaden mehr anrichten zu können.
In dem jüngsten Cyberangriff auf das Computersystem des Bundestags sieht der rheinland-pfälzische Experte auch eine Chance: Die Sensibilität von Bürgern, Verwaltungen und Unternehmen für das Thema Datensicherheit steige.
Das ist vielleicht ein wenig vergleichbar mit der Situation vor einem Jahr, als nach der Abhörattacke auf das Kanzlerinnen-Handy die Mobiltelefone der Mainzer Kabinettsmitglieder noch zusätzlich in die Keksdose kamen.Extra

Der Landesbetrieb Daten und Information (LDI) ist 2003 aus dem wegen fehlerhafter Auftragsvergaben kritisierten Daten- und Informationszentrum (DIZ) hervorgegangen. Der LDI ist Dienstleister für viele Behörden. Daten von Verwaltung und Bürgern werden unter anderem mit mehrfachen Firewalls und Verschlüsselungen geschützt. An das sogenannte rlp-Netz sind landesweit 40 000 Computer angeschlossen. Im zentralen Rechenzentrum in Mainz stehen über 1500 Server. Der Landesbetrieb beschäftigt an seinen beiden Standorten Mainz und Bad Ems 200 Mitarbeiter. Im vergangenen Jahr erwirtschaftete der LDI einen Umsatz von 69 Millionen Euro - die Behörden müssen für die Dienstleistungen des Landesbetriebs zahlen. sey

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