Neun von zehn Briefen zugestellt: Welche Folgen hat der Poststreik für die Verbraucher? Antworten auf wichtige Fragen

Bonn · Wo bleibt der Brief, wo das Paket? Bei der Post wird seit Montag unbefristet gestreikt. Verdi will, dass alle Paketboten wieder nach dem höheren Haustarif bezahlt werden. Welche Auswirkungen hat das für die Kunden?

Neun von zehn Briefen zugestellt: Welche Folgen hat der Poststreik für die Verbraucher? Antworten auf wichtige Fragen
Foto: Friedemann Vetter

Jürgen Gerdes ist der Brief-Chef der Deutschen Post - und gibt sich gerade betont gelassen. Dabei hat die Gewerkschaft Verdi im festgefahrenen Tarifkonflikt zur stärksten Waffe im Arbeitskampf gegriffen: Mit unbefristeten Streiks will sie den Arbeitgeber zum Einlenken zwingen. Am ersten Tag kamen trotzdem neun von zehn Briefen an. Doch Verdi kann noch drauflegen. Ob der Ausstand eine schnelle Lösung bringt, ist zweifelhaft.

Wo wird gestreikt und gibt es regionale Schwerpunkte?
Verdi hat bundesweite Streiks angekündigt, regionale Schwerpunkte gibt es nicht. Somit kann jeder betroffen sein, der ein Paket oder einen Brief verschickt oder erhält. Rund 85 Prozent des gesamten Briefverkehrs entfallen auf Geschäftspost. Verdi will strategisch ihr Pulver aber nicht gleich am Anfang verschießen und kündigte an, die Mitglieder Zug um Zug in Streiks zu rufen. Die Beschäftigten in den Briefverteilzentren machten den Anfang - sie sind ein neuralgischer Punkt in der Zustellungskette der Post. Schritt für Schritt wurden am Dienstag auch erste Zusteller einbezogen.

Kann Verdi mit den Streiks die Post "zur Schnecke" machen?
Während der Warnstreiks in den vergangenen Wochen hat das nicht recht geklappt. Selten legten mehr als 10.000 Beschäftigte an einem Tag die Arbeit nieder. "Viele sehen ihre Interessen im Streik nicht vertreten", meint Gerdes. Dabei gilt der Organisationsgrad von Verdi bei der Post als hoch, konkrete Zahlen gibt es allerdings nicht. Andere Mitarbeiter, die rund 40.000 Postbeamten, dürfen nicht streiken. Außerdem läuft in den Briefverteilzentren vieles über Maschinen. "Und die streiken nicht", sagt Gerdes.

Versucht die Post, die Streikauswirkungen zu begrenzen?
Ja. Das Unternehmen setzt beispielsweise Verwaltungskräfte in den Verteilzentren ein. Bei den Warnstreiks der vergangenen Wochen halfen auch Beamte aus. Und in den Grenzregionen kamen beispielsweise polnische DHL-Mitarbeiter zum Einsatz. In begrenztem Umfang kann die Post auch auf Service-Partner/Drittfirmen ausweichen. Nicht gestreikt wird in den neu gegründeten regionalen Paketgesellschaften, die den Knackpunkt des Tarifkonflikts bilden.

Was kostet der Streik die Post?
Das will das Unternehmen so konkret nicht sagen. Die Post verspricht aber: Die Streiks werden nicht als Begründung für die nächste Portoerhöhung herhalten.

Kann ein Kunde die Post für eine verspätete Zustellung haftbar machen?
Nein, die Post hat in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen ein Haftungsrisiko im Streikfall ausgeschlossen. Das heißt, ein Kunde kann keinen Schadensersatz von der Post verlangen, wenn beispielsweise online bestellte Lebensmittel verspätet und verdorben bei ihm eintreffen.

Was geschieht, wenn wichtige Schriftstücke verspätet ankommen?
Das Risiko, dass ein Brief oder Paket rechtzeitig ankommt, trägt immer der Versender. Darauf weisen auch Verbraucherzentralen hin: Sollte ein Kündigungsschreiben erst nach Ablauf der Frist beim Empfänger eintreffen, verlängert sich der Vertrag um die in den allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarte Laufzeit.

Was muss der Kunde bei Paketretouren beachten?
Hier besteht im Prinzip kein zusätzliches Risiko. Ein Kaufvertrag über online bestellte Waren kann innerhalb von 14 Tagen widerrufen werden. Zur Einhaltung der Widerrufsfrist ist es ausreichend, wenn die Ware innerhalb dieses Zeitraums abgeschickt wird. Wichtig dabei nur: Kunden müssen ihren Einlieferungsbeleg aufheben.

Extra: Konkurrenz

Einige Post-Konkurrenten: ,
DPD: Die Zentrale des Unternehmens mit 7500 Mitarbeitern ist in Aschaffenburg (Bayern). Im März 2015 kündigte der Paketdienst an, die Deutsche Post DHL mit einer einheitlichen europäischen Marke herauszufordern. So soll das Paketnetz europaweit auf 22.000 Stationen erweitert werden.
Pin Mail AG: Postdienstleister mit Sitz in Berlin. Die Firma hat rund 1150 Mitarbeiter und beförderte 1999 in der Hauptstadt die ersten Briefsendungen.
Hermes: Der international tätige Handels- und Logistikdienstleister ist ein Tochterunternehmen der Otto Group und beschäftigt rund 9000 Mitarbeiter in Deutschland. Deutschland gehört zu den Kernmärkten. TNT: Zu dem niederländischen Unternehmen gehört die deutsche TNT Express GmbH in Troisdorf (Nordrhein-Westfalen) mit etwa 3700 Mitarbeitern. I
UPS: Der US-Paketdienstleister bezeichnet sich als der größte Express- und Paketzustelldienst weltweit mit rund 435.000 Mitarbeitern. dpa

Extra: Laufende Tarifauseinandersetzungen

Bei der Deutschen Post wird unbefristet gestreikt - es geht vor allem um die schlechtere Bezahlung bei 49 neu gegründeten regionalen Gesellschaften für die Paketzustellung. Daneben gibt es derzeit weitere Tarifkonflikte.
Bahn: Die in der GDL organisierten Lokführer haben seit vergangenem Herbst mit bisher neun Ausständen bei der Bahn Millionen Reisende ausgebremst. In dem festgefahrenen Konflikt will die GDL nicht mehr allein für die Lokführer verhandeln, sondern auch für das übrige Zugpersonal in ihrer Mitgliedschaft. Ein Schlichtungsverfahren wurde Ende Mai vereinbart. Es soll zunächst bis zum 17. Juni laufen. Mit der größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG erzielte die Bahn nach langen Verhandlungen bereits einen Abschluss.
Kindertagesstätten: Gewerkschaften und kommunale Arbeitgeber verhandeln für rund 240 000 städtische Kita-Beschäftigte und andere Berufsgruppen des kommunalen Sozial- und Erziehungsdienstes. Es geht um mehr Geld, die Arbeitgeber lehnten pauschale Erhöhungen aber bis zuletzt ab. An diesem Mittwoch beginnt in Dresden die Schlichtung in dem Tarifstreit. Der wochenlange Streik in Kitas ist inzwischen ausgesetzt. Wegen der Schlichtung herrscht Friedenspflicht.
Lufthansa: Bei der Fluggesellschaft gibt es derzeit mehrere Tarifkonflikte. Mit der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) sind verschiedene Tarifverträge offen - zum Gehalt, zur Übergangsversorgung und zu den Betriebsrenten der rund 5400 Piloten der Gesellschaften Lufthansa, Lufthansa Cargo und Germanwings. Nach zwölf Streikrunden nahmen die Piloten im Mai das Lufthansa-Angebot für eine Gesamtschlichtung an. Vom Beginn der Schlichtung bis Ende Juli verzichtet die VC auf Arbeitsniederlegungen. Im Konflikt mit der Gewerkschaft der Flugbegleiter (Ufo) droht die Schlichtung zu scheitern. dpa

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