"Dies ist auch ein Stück Gewaltprävention"

TRIER. Bei der Berufsbildenden Schule für Ernährung, Hauswirtschaft und Soziales (BBS EHS) erhielten nun 15 Schüler nach abgeschlossener Ausbildung ihr Streitschlichter-Zertifikat. Ihre Aufgabe wird es sein, Konflikte zwischen Schülern zu beenden - allerdings ohne die Mitwirkung von Lehrern.

 Zum Abschluss ein Zertifikat: Die neuen Streitschlichter der BBS EHS mit den Lehrern Gerd Tiator und Margit Firley (rechts).Foto: Joachim Johanny

Zum Abschluss ein Zertifikat: Die neuen Streitschlichter der BBS EHS mit den Lehrern Gerd Tiator und Margit Firley (rechts).Foto: Joachim Johanny

Die 15 so genannten Mediatoren hatten sich im vergangenen Jahr freiwillig für die nicht leichte Aufgabe gemeldet. Im vergangenen Jahr durchliefen diese Berufsschüler ein insgesamt 40 Stunden umfassendes Training mit dem Thema "Konfliktlösung in Theorie und Praxis". Dazu gehört auch, das eigene Konfliktverhalten kennenzulernen und Konfliktsituationen zu analysieren. Außerdem sollen Mediatoren gute aktive Zuhörer sein und es verstehen, Streitereien schnellstmöglich von der emotionalen auf die sachliche Ebene umzuheben.81 Prozent Zustimmung unter den Schülern

Betreuungslehrer Gerd Tiator zum TV : "Zunächst aber mussten wir klären, ob an einem Schultyp wie der BBS EHS überhaupt ein Bedarf für Streitschlichter besteht." Im Frühjahr 2002 fand deshalb eine repräsentative Erhebung in 18 von insgesamt 79 Klassen statt, bei der 280 Schülerinnen und Schüler befragt wurden. Das Ergebnis bestätigte die Befürchtung, dass es auch an dieser vorwiegend von Mädchen besuchten Schule ein erhebliches Gewaltpotenzial geben könnte. Allein die Frage "Hast du es schon einmal erlebt, dass Mitschüler von anderen gezielt fertig gemacht wurden?" beantworteten 68 Prozent mit Ja. 81 Prozent der Befragten sprachen sich dafür aus, dass beim Streit zwischen Schülern nicht die Lehrer, sondern Mitschüler schlichten sollten. Ein Kreis von fünf Lehrern erarbeitete daraufhin eine Ausbildungskonzeption für Streitschlichter, die auf die spezielle Situation an der BBS EHS zugeschnitten ist. Nach einer Infoveranstaltung meldeten sich schließlich 20 Interessierte zu den Lehrgängen, die zur Hälfte während der Schulzeit und zur Hälfte in Form von Wochenendseminaren im Hans-Josef-Reuter-Haus in Trierweiler stattfanden. Auch wenn es manchmal anstrengend war - als Belastung haben die Akteure diese Seminare nicht empfunden. Sie alle erhoffen sich auch für ihre Zukunft einen Vorteil davon. Dies sagen jedenfalls die fünf Mediatoren, mit denen der TV sprach. Ein Training für den menschlichen Umgang sei dies gewesen, bestätigen Jessica Dietzen (21), Frank Holzer (32), Christina Krämer (17), Laura Melchisedech (17) und Thomas Neumann (17). Auch der Umgang untereinander sei anders geworden, heißt es weiter aus der Runde. Mit Hilfe von Rollenspielen haben sie gelernt, in aufgeladenen und durch Aggression geprägten Situationen Ruhe zu bewahren. Nicht ohne Selbstbewusstsein schauen sie deshalb der Zeit nach den Osterferien entgegen, wenn ihre Tätigkeit als Streitschlichter an der BBS EHS beginnt. Das Mediatoren-Konzept sei schon deshalb überzeugend, weil hier Gleichgestellte zwischen die Konfliktparteien treten würden - eben eine andere Beziehungsebene als zu den Lehrern, die schließlich "immer noch eine Autorität verkörpern". Als wichtiger Faktor gilt auch die Schweigepflicht der Mediatoren. Die Schüler wüssten, dass ein Gespräch mit ihnen keine schulischen Konsequenzen haben werde. Bei einem Gespräch mit einem Lehrer ließe sich das nie ganz ausschließen."Dienstbeginn" nach den Osterferien

Wenn die Arbeit nach den Osterferien beginnt, soll den Streitschlichtern auch ein eigener und bewusst wohnlich gestalteter Besprechungsraum zur Verfügung stehen. Er wird ein entspannteres, aggressionssenkendes Ambiente bieten. Betreuungslehrer Gerd Tiator: "Ich gehe mal davon aus, dass die 15 nicht ständig im Einsatz sein werden." Er hoffe aber, das schon durch die bloße Einrichtung der "Streitschlichter" ein neues Konfliktbewusstsein an der Schule entstehen werde - also auch ein Stück Gewaltprävention. Ein Problem lasse sich an der BBS aber nicht beheben: die kurze Verweildauer der Schüler von maximal drei Jahren. Die Mediatorenausbildung müsse daher kontinuierlich fortgesetzt werden.

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