Eine Feuerwehr für die Seele

Kostenlos, rund um die Uhr verfügbar und einem Test zufolge inhaltlich top: Die Telefonseelsorge berät auch per E-Mail. Ein Teil der jährlich rund 17 000 bundesweit eingehenden Online-Hilferufe wird von Trier aus beantwortet. Demnächst startet ein neuer Kurs für ehrenamtliche Telefonseelsorger.

Trier. (ae) "Wir sind so etwas wie die Feuerwehr für die Seele", sagt Pater Gerd Eigelshoven, Leiter der Trierer Telefonseelsorge. In jeder nur denkbaren Krisensituation finden Menschen bei seinem Team aus 67 ehrenamtlichen und vier hauptamtlichen Mitarbeitern rund um die Uhr telefonischen Beistand. Seit drei Jahren leisten acht von ihnen zusätzlich Seelsorge per E-Mail. Sie dürfen sich über eine besondere Anerkennung freuen: Das Magazin "Guter Rat" kürte die Telefonseelsorge laut Bistums-Pressestelle zum besten Online-Berater.

Jede E-Mail wird innerhalb von zwei Tagen beantwortet



Voraussetzung für die Lebenshilfe im Netz: drei Jahre Erfahrung in der Telefonberatung. Denn wer per E-Mail berät, braucht besonderes Fingerspitzengefühl. "Ein schriftliches Wort ist fixiert", benennt Online-Berater Kurt Eisenbarth den entscheidenden Unterschied zum Gespräch. "Man muss offener formulieren, nie: ,Machen Sie das!', sondern eher: Könnten Sie sich vorstellen,...?".

Jede E-Mail wird binnen 48 Stunden und mithilfe eines Vier-Phasen-Modells beantwortet: "An erster Stelle steht das eigene Gefühl: Worauf spreche ich an? Dann folgen die Suche nach Schlüsselwörtern und ein diagnostischer Blick", erklärt der Berater. "Zum Schluss überlege ich, wo ich einen Impuls geben kann." Einem einsamen jungen Mädchen gab er den Tipp, bei einer Schülerzeitung mitzuarbeiten, denn: "Mir war aufgefallen, wie erstaunlich gut sie schreibt." Im Brief sei es besonders wichtig, Positives aufzugreifen und zu verstärken. Zwischen aller Verunsicherung und negativem Selbstwertgefühl der Ratsuchenden finde er meist einen Funken Hoffnung. "Und den will ich lesbar machen", sagt Eisenbarth.

Beratung per E-Mail sei eine andere Art der Auseinandersetzung mit den eigenen Problemen als per Telefon: "Schreiben ist ein kreativer Prozess, der schon ein Stück zur Bewältigung beiträgt." Genutzt wird sie hauptsächlich von Menschen zwischen 20 und 29 Jahren und gerne nachts. Wie am Telefon auch geht es vor allem um Partnerschafts- und Beziehungsprobleme, psychische Krankheiten, immer häufiger um Einsamkeit und Angst vor Arbeitsplatzverlust.

Strikte Sicherheitsstandards sorgen für schützende Anonymität. Ratsuchende versenden ihre Mails über einen anonymen Account, ein zentraler Server verteilt sie bundesweit an 35 Beratungsstellen. Die Berater können sie nur dort an einem gesicherten Laptop lesen und beantworten. An Computer wie Telefon arbeiten sie unter Decknamen. Diese Anonymität verleitet auch zu Missbrauch. Eigelshoven und sein Team beklagen zum Beispiel, dass Jugendliche oft mit bis zu 20 "Quatsch-Anrufen" hintereinander die Leitung für wirklich in Not befindliche Menschen blockieren. "Das wegzustecken geht nur mit Professionalität." Diese erwerben die Beraterinnen und Berater in einer profunden Ausbildung, die im ersten Jahr wöchentlich Theorie und Selbsterfahrung vermittelt und im zweiten an die Praxis heranführt.

Am 5. Mai startet ein neues Ausbildungsjahr für ehrenamtliche Mitarbeiter. Interessenten ab 21 Jahren, die eine reife Persönlichkeit, Lebenserfahrung, Belastbarkeit, Offenheit, Freude am Umgang mit Menschen und Flexibilität mitbringen, können sich bei der Telefonseelsorge Trier, Grabenstraße 20, 54290 Trier, oder unter mail@telefonseelsorge-trier.de bewerben.

Extra Die Telefonseelsorge ist ein Beratungs- und Seelsorgeangebot der katholischen und evangelischen Kirche, in Trier steht sie unter Trägerschaft des Bistums. Die Beratung ist überkonfessionell, kostenlos und rund um die Uhr unter den Telefonnummern 0800/1110111 und 0800/1110222 erreichbar. Wer eine E-Mail-Beratung wünscht, wird auf www.telefonseelsorge.de zur Einrichtung eines anonymen Accounts geleitet. (ae)

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