IHRE MEINUNG

Zu den Berichten über volle Züge nach der Fahrplanumstellung der Bahn:

Liebe Bahn, oder sollte ich besser schreiben "ehemals geliebte Bahn"? Unsere innige Beziehung dauert jetzt schon fast zehn Jahre. Ich habe es genossen, dass du mich täglich (mehr oder weniger pünktlich, aber immer auf bequeme Art und Weise) von Föhren nach Trier und wieder nach Hause brachtest. Deinetwegen habe ich in brütender Hitze, Sturm oder Regen ausgeharrt, im sicheren Wissen: Du wirst schon irgendwann kommen und mir eine bequeme Zuflucht bieten. Für dich habe ich mein Auto links liegen lassen. In deinen bequemen Sitzen dösend, konnte ich träumen. Jedoch, geliebter Zug: Ich fürchte, unsere Wege werden sich trennen. Seit dem 14. Dezember schaffst du es nicht mehr, mich morgens früh genug zur Arbeit zu bringen (Frühzug gestrichen), du kommst nicht mehr im regelmäßigen Abstand (ehemals halbstündlich). Aber was noch viel schlimmer ist: Du bist einem irrsinnigen Schlankheitswahn verfallen, der dazu führt, dass ich schon am frühen Morgen unerwünschten Körperkontakt mit unzähligen anderen Leidensgenossen habe, die auch alle nach Trier möchten. Es wird gekuschelt, geschubst, gestoßen. Ich muss mich an fremden Menschen festhalten, weil keine Haltegriffe vorhanden sind. Wie soll ich dir da treu sein können? Und noch viel schlimmer: Was inzwischen in den sogenannten Schülerzügen passiert, entspricht nicht der Fürsorgepflicht, die ich als Mutter von dir erwarte. Ich glaube, in einem Viehtransport wird Tieren mehr Platz zugestanden als meinen Kindern in deinen Waggons. Wäre ich nicht darauf angewiesen, dass nur du meine Kinder zur Schule bringen kannst, müsste ich dich zur Verbotszone für die Jugend erklären. Geliebte Bahn: Hiermit reiche ich die Scheidung ein! Ich werde mir einen neuen Partner suchen, sei es mein vernachlässigtes Auto oder eine Mitfahrgelegenheit. Mir blutet das Herz nach so langer Zeit. Aber ich sehe von deiner Seite aus keinerlei Bemühung und auch kein Verständnis für mein Klagen. Du bist auf dem falschen Weg, glaube mir. Mach es gut. Oder anders formuliert: Mach es besser! Deine Ex Margit Haubrich, Föhren

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