Krönung einer Karriere

Die Reihe der Ehrenbürger von Weimar begann einst mit Goethe und umfasst Namen wie Thomas Mann und Richard Strauss. Seit Mittwoch ist der ehemalige Trierer Oberbürgermeister Helmut Schröer der einzige lebende Träger dieser Auszeichnung.

Weimar. Die Luft in Weimars ältester Kneipe ist geschwängert vom Duft nach Thüringer Schlachtplatte und Würzfleisch. Das Hinterzimmer des "Schwarzen Bären von 1540" ist am Vorabend des Tages der Deutschen Einheit fest in Trie rer Hand. Am nächsten Morgen soll Alt-OB Helmut Schröer für seine Verdienste um die Städtepartnerschaft zum Ehrenbürger der Goethe-Stadt ernannt werden, und nun sitzt er bei der "Basis", den beiderseitigen Aktivisten der Partnerschaft. Da geht es weniger um große Politik, da ist Handfestes gefragt. "Ihr kommt zum Zwiebelmarkt, wir sind dann zum Weihnachtsmarkt bei euch." Im November gibt's die Baumpflanzung in Weimar, im Januar die Kappensitzung in Trier. Alltag einer inzwischen 20 Jahre alten Freundschaft. Es endet spätnachts an der Hotelbar.

Herzlichkeit trotz großem Protokoll

Am nächsten Morgen treffen sich alle in Schlips und Anzug im feierlich geschmückten Nationaltheater. Amtsketten, Fahnen, Wappen, Hymnen, Ansprachen: das ganze protokollarische Programm. Zum Glück spielt das Liszt-Trio Weimar so beherzt und lebendig auf, dass gar nicht erst das Gefühl aufkommt, die Veranstaltung könne in Formalitäten ersticken.

Und auch die Redebeiträge machen schnell klar, dass hier mehr gemeint ist als politische Höflichkeit. "Trier war für Weimar da, gerade in den Zeiten des Umbruchs", sagt Oberbürgermeister Stefan Wolf. Er nennt die "Helden von damals", und meint nicht nur Schröer, sondern auch Menschen wie den Trierer Ex-Baudezernenten Petzhold und seine Kollegen vom "Senioren-Einsatz-Dienst", die Schröer nach der Wende für Weimar gewann.

Keine Besserwessis kamen da in den Osten, sondern Leute, die ihre Kenntnisse einbrachten, um zu verhindern, dass die Kulturstadt Weimar in die Hände von Gauklern und Glücksrittern fiel. Manchmal auch mit ganz einfachen Mitteln, wie sich Laudator Volkhardt Germer, langjähriger Weimarer OB erinnert. Da tuckerten schon mal städtische Müllfahrzeuge 500 Kilometer von der Mosel Richtung Ilm, um einen Entsorgungsnotstand zu verhindern. "Ich hab' da mal eine Idee", zitierte Germer "O-Ton Schröer" - und erntete Gelächter nicht nur beim Weimarer Publikum.

Dabei war die Situation Anfang der 90er Jahre nicht immer lustig. "Da mussten auch Mauern im Kopf überwunden werden", sagt Helmut Schröer in seiner Dankesrede. Wie sensibel die Lage war, wird selbst zwei Jahrzehnte später noch deutlich. Dem Bürgerrechtler Rudolf Keßner, zu Vorwendezeiten einer der ersten Kontaktleute Schröers in der oppositionellen Szene Weimars, verweigert der heutige Stadtrat die Chance, eine eigene Laudatio zu halten. Aber immerhin trägt OB Wolf große Passagen von Keßners Manuskript vor, das daran erinnert, wie konsequent und risikobereit Schröer auch schon zu SED-Zeiten den Kontakt zur "anderen DDR" suchte.

Trierer Stadtvorstand glänzt durch Abwesenheit

Dem allseits Geehrten ist die Rührung über die Anerkennung - die höchste, die einer Stadt in Deutschland zur Verfügung steht - deutlich anzumerken. Sogar seine Enkel sind, zur Überraschung des Opas, aus Trier angereist, ebenso wie eine halbe Hundertschaft Freunde und Wegbegleiter, Stadtratsmitglieder, Wirtschaftsvertreter. Nur der Trierer Stadtvorstand glänzt durch komplette Abwesenheit. Der einzige Misston an einem harmonischen Feiertag. "Wir haben die Kollegen eingeladen", sagt OB Wolf am Rande des anschließenden Empfangs - und verkneift sich jeden Kommentar.

Meinung

Starkes Bild - Schwaches Bild

Da kann einem als Trierer das Herz aufgehen, wenn man sieht, wie herzlich und dankbar das offizielle Weimar die 1987 noch unter völlig anderen Bedingungen geschlossene Partnerschaft mit Trier betrachtet. Da ist offensichtlich etwas gelungen, was in den deutsch-deutschen Beziehungen selten geklappt hat: Hilfe ohne Herablassung. Wo andernorts Besserwessis und Profiteure verbrannte Erde hinterlassen haben, wo "Mode-Partnerschaften" zwischen Städten längst eingeschlafen sind, ist zwischen Weimar und Trier etwas Dauerhaftes geblieben. Weil Helmut Schröer das alles organisiert, begleitet und angetrieben hat, ist die Ehrenbürgerwürde mehr als verdient. Sie ist, das hat er selbst betont, im Grunde auch eine Ehrung für Trier. Umso unbegreiflicher das erbärmliche Bild, das der Trie rer Stadtvorstand durch seine gänzliche Abwesenheit geliefert hat. OB Jensen sei "aus dringenden Gründen verhindert gewesen", sagt das Presseamt, seine drei Kollegen hätten keine Zeit gehabt. Da fällt einem nicht mehr viel zu ein. Mag ja sein, dass ein OB wirklich nicht kann. Dafür gibt's einen Bürgermeister. Und wenn der auch nicht kann, Dezernenten. Fraglos gibt es schönere Alternativen, den Feiertag zuzubringen als einen Kurz-Trip nach Weimar. Aber Stadtvorstände sind ja auch nicht zum Vergnügen gewählt. Wenn ein solches Kollegial-Organ sich kollektiv drückt, dann scheint man die Veranstaltung in Weimar nicht wichtig zu nehmen. Und das ist peinlich gegenüber der Partnerstadt und eine Unverschämtheit gegenüber dem Alt-OB, der immerhin mit zwei Stadtvorstandsmitgliedern jahrelang in diesem Gremium gesessen hat. d.lintz@volksfreund.de

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