Schlaflos an der Westtrasse: Mehr Güterzugverkehr links der Mosel

Trier · Wegen Bauarbeiten an der Bahnstrecke im Bereich Ehrang/Pfalzel rollen seit Anfang April erheblich mehr Güterzüge auf der Weststrecke. Die Lärmbelastung der Anwohner ist enorm, vor allem in den Nachtstunden. Entspannen wird sich die Situation nach Auskunft der Bahn erst am 9. August.

 Im Martinerfeld und in der Aachener Straße in Trier-West staut sich der Verkehr vor einer geschlossenen Bahnschranke. Die Weststrecke wird derzeit verstärkt von Güterzügen genutzt. TV-Foto: Frank Göbel

Im Martinerfeld und in der Aachener Straße in Trier-West staut sich der Verkehr vor einer geschlossenen Bahnschranke. Die Weststrecke wird derzeit verstärkt von Güterzügen genutzt. TV-Foto: Frank Göbel

Vor 14 Jahren hat Rüdiger Boost sein Haus an der Bonner Straße in Pallien gekauft. "Bislang konnten wir mit der Bahnstrecke und der Bundesstraße vor der Haustüre leben", sagt der Vater dreier Kinder. "Nachts konnten wir immer bei offenem Fenster schlafen. Aber daran ist derzeit überhaupt nicht zu denken. Und wenn die Güterzüge vorbeirollen, vibriert das ganze Haus."

Rüdiger Boost und seine Familie sind nicht die Einzigen, die wegen des Güterzuglärms in diesen Tagen keinen Schlaf finden. Helmut Mertesdorf, Ortsvorsteher von Zewen, ist von vielen Menschen in seinem Stadtteil angesprochen worden. "Insbesondere in den Nachtstunden wird die Geräuschkulisse als sehr hoch empfunden." Ein Anlieger habe ihm von einer Lautstärke von 70 Dezibel in seinem Schlafzimmer berichtet. Das entspricht etwa dem Lärm eines Rasenmähers.

In einem Schreiben an die Deutsche Bahn hat er deshalb um eine Erklärung für die Zunahme des Güterverkehrs gefragt. Parallel dazu versuchte auch Horst Erasmy, Ortsvorsteher von Trier-West/Pallien, der Ursache für die außergewöhnliche Lärmbelästigung auf die Spur zu kommen.

Beiden liegt die Antwort der DB Netz AG inzwischen vor. Demnach war Anfang April die Erneuerung eines Gleises in Ehrang die Ursache für die Umleitung von Zügen. Wesentlich mehr wirkt sich aber die "Totalsperrung des Ostbahnhofs im Bahnhof Ehrang" aus. Der komplette Transitgüterverkehr, der sonst über die Pfalzeler Brücke und die Hauptstrecke rechts der Mosel fährt, wird seit dem 28. April über die Weststrecke umgeleitet.

Notwendig ist die Sperrung des Ehranger Bahnhofs laut Bahn wegen Erneuerungsarbeiten an Eisenbahnüberführungen in der Hafenstraße und in Pfalzel. "Voraussichtlich ab dem 9. August kann der Umleitungsverkehr über Trier-West aus heutiger Sicht wieder entfallen", verspricht die DB Netz AG.

Bis zu diesem Zeitpunkt werden also laute Güterzüge weiter im Abstand von teilweise weniger als 20 Minuten tags und nachts durch die Stadtteile Biewer, Trier-West/Pallien, Euren und Zewen rollen.

Ortsvorsteher Horst Erasmy weiß, dass dagegen kaum etwas zu machen ist. "Es handelt sich um eine offizielle Bahnstrecke, also kann man der Bahn da nichts vorschreiben." Allerdings hofft er wie sein Amtskollege Helmut Mertesdorf, dass die Bahn gesprächsbereit ist im Bezug auf das Tempo. Vor allem in Euren und Zewen scheint das ein größeres Problem zu sein. Mertesdorf: "Die Bahnstrecke steigt in Richtung Igel an, da nehmen die Loks hier schon ordentlich Anlauf."

Vor allem die Stadtverwaltung sei gefordert, darüber mit der Bahn zu sprechen. Anwohner ärgert der Lärm, Autofarher sind genervt von den Wartezeiten an den häufig geschlossenen Bahnschranken, besonders im Bereich Trier-West/Pallien. Horst Erasmy spricht von "erheblichen Staus" in der Aachener Straße und sieht darin einen Beleg für den Handlungsbedarf im Bezug auf die geplante Regionalbahn, die ab Dezember 2018 auf der Weststrecke fahren soll. Denn zwar werden die Züge dann wesentlich leiser sein als Güterzüge. Der 20-Minuten-Takt gilt aber als gesetzt. "Voraussetzung für die Nutzung der Westtrasse für den Personenverkehr ist eine neue Entlastungsstraße im Bereich des ehemaligen Bobinetgeländes", sagt Erasmy. "Unter dieser Voraussetzung ist das Regionalbahnkonzept eine gute Sache."

Helmut Mertesdorf sieht in der neuen Regionalbahn sogar die Chance, dass dann wegen des kurzen Regionalzugtaktes weniger Güterzüge auf der Strecke unterwegs sein werden. Dazu gibt die Deutsche Bahn zwar keine definitive Auskunft. Zumindest deuten aber die Planungen im Zusammenhang mit der notwendigen Modernisierung der Gleisanlagen auf der Weststrecke nicht auf eine verstärkte Nutzung durch Güterverkehr in den Nachtstunden hin. So werde zwar die Signaltechnik soweit erforderlich angepasst. Ein neues, automatisches Stellwerk sei aber nicht geplant.

Bis 8. August wird es allerdings auch nachts weiterhin an der Weststrecke mächtig rumpeln. Rüdiger Boost, seine Familie und all die anderen Anwohner an den Gleisen müssen bis dahin wohl oder übel mit wackelnden Wänden leben. "An Schlafen ist da nicht zu denken", sagt Boost. "Aber wenn die Züge langsamer fahren, würde das schon viel ausmachen."Vier Fragen an die Deutsche Bahn

Der Trierische Volksfreund hat die Deutsche Bahn um eine weitere Stellungnahme gebeten. Hier die Antworten des Bahnsprechers:

Wie viele Züge sind derzeit täglich auf der Weststrecke Trier unterwegs?
Da die Zahl der Züge auf der Westtrasse aufgrund der vorübergehend zu Bauzwecken erforderlichen Sperrung des "Ostbahnhofs" Ehrang und den damit verbundenen Umleiterverkehren deutlich zugenommen hat, stehen bis jetzt keine gesicherten Zugzahlen zur Verfügung.
Wir haben jedoch an zwei Verkehrstagen innerhalb der bisherigen Umleiterphase die Streckenbelastung ausgewertet. In diesen Zeiten verkehrten jeweils in der Zeit zwischen 00:00 Uhr und 24:00 Uhr insgesamt über die Westtrasse:
am Dienstag, 29. April:, 60 Züge
am Freitag, 2.Mai: 42 Züge
Wie allein schon aus diesen Zahlen ersichtlich, schwankt die Anzahl der Züge von Tag zu Tag erheblich - zum Einen durch fahrplantechnisch eingelegte Fahrten, aber auch aufgrund von außerplanmäßigen Bedarfs- und Sonderverkehren.

Wie schnell dürfen Güterzüge im Bereich Trier-Ehrang, Trier-West, Trier-Euren, Trier-Zewen fahren?
Je nach vorgegebener Strecken-/gleiswahl verkehren die Züge im Bereich des Bahnhofes Ehrang mit Geschwindigkeiten zwischen 60 und 100 km/h. In Trier-West, Trier-Euren und Trier-Zewen beträgt die maximal zulässige Geschwindigkeit 90 km/h.

Fahren die Züge nachts mit einem höheren Tempo?
Nein, das ist nicht der Fall.

Ist es möglich, die Geschwindigkeit im Bereich der bewohnten Stadtgebiete zu reduzieren - zumindest nachts?
Die möglichen Höchstgeschwindigkeiten für Züge auf dem Netz der DB sind streckentechnisch und/oder durch Fahrzeuge bedingt. Ihre Einhaltung wird im Betrieb kontinuierlich überwacht. Zusätzliche Geschwindigkeitsbeschränkungen, beispielsweise aus Lärmschutzgründen, sind nicht akzeptabel, da sie die Wettbewerbsfähigkeit des Schienengüterverkehrs gefährden. Geschwindigkeitsbeschränkungen hätten erhebliche negative Auswirkungen, da sie zu Kapazitätsverlusten auf den betroffenen Strecken führen und Zugtrassen nicht oder nicht mehr nachfragegerecht angeboten werden könnten. Letztendlich würde dies den Schienengüterverkehr erheblich schwächen und das politische Ziel "Mehr Verkehr auf die Schiene" würde konterkariert.Meinung

Horrorszenario für den Westen

Von Rainer Neubert

Wer für die Angst der Menschen im Trierer Westen vor mehr Güterverkehr kein Verständnis hat, sollte für eine, zwei oder drei Nächte in einem Haus an der Bahnstrecke verbringen. Da wackeln auch nachts die Wände, die Fenster müssen geschlossen bleiben, Schlaf ist nur in Häppchen zu haben, da hilft nicht einmal Ohropax. Ein Horrorszenario für alle, die vor Jahren dorthin gezogen sind in dem Glauben, die Bahnstrecke werde in der Zukunft nicht stärker frequentiert.

So wird die geplante Reaktivierung der Strecke für den Personennahverkehr nun doch zum Wunschprojekt. Im Vergleich zu den Güterzügen, die in diesen Tagen dort rattern, sind moderne Regionalbahnfahrzeuge wahre Flüsterzüge. Und wenn die im 20-Minuten-Takt fahren, ist für Güterzüge kein Platz mehr.

Was nachts sein wird, ist heute aber noch nicht abzusehen. Zumindest rechnet die Bahn offensichtlich nicht damit, diese Strecke dann intensiv nutzen zu können. Andernfalls würde sie beim technischen Facelifting der Trasse auf eine automatische Signal- und Stellwerkstechnik setzen.

Es gibt also Hoffnung für die Anwohner. Und wenn die Planer bei der Stadt noch nicht überzeugt sein sollten, dass im Bereich des Bahnübergangs Aachener Straße dringend etwas getan werden muss, wenn dort die Schranken alle paar Minuten schließen. Dann sollten sie sich täglich in den Stau dort einreihen müssen.

r.neubert@volksfreund.de

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