Von der Poesie des Moments

Schweich · Im Trio war er schon öfter in der Region zu erleben, jetzt ist der schwedische Jazzpianist und dreifache Echo-Preisträger Martin Tingvall erstmals mit einem Soloprogramm hier aufgetreten. In der ehemaligen Synagoge Schweich hat er ein intimes und stimmungsvolles Konzert mit Titeln aus seinem neuen Album gegeben.

Schweich. Udo Lindenberg hat Martin Tingvall, mit dem er in Hamburg zusammenarbeitet, als "Edvard Grieg des Jazz" bezeichnet. Das erweist sich beim Konzert des 39-jährigen Pianisten in Schweich als überaus treffend.
Der sympathisch und humorvoll auftretende Schwede stellt sein Album "En ny Dag" (ein neuer Tag) vor, das den Zeitzyklus zwischen zwei Nächten beschreibt. Es ist das erste, in dem der seit zehn Jahren im Trio Erfolgreiche sich rein auf die Ausdrucksmöglichkeiten des Pianos beschränkt.
Bilder im Kopf


Die aber haben es unter seinen Händen in sich. Vom ersten Stück an, das übersetzt "Ein Stern fällt hernieder" heißt, erzeugen sie Bilder im Kopf und Wiederhall in der Seele.
Tingvall hat ein famoses Gespür für Melodien, die mit eindringlicher Schönheit berühren und sofort im Ohr bleiben. Er ist ganz stark darin, die Poesie von Momenten einzufangen und Stimmungen zu transportieren. Als er mit dissonantem Akkord und aufwühlendem Marsch über die Basstasten des Flügels zur Beschreibung eines Gewitters anhebt, lässt sich dessen knisternde elektrische Spannung förmlich spüren.
Und Licht scheint durch den Raum zu fluten, als er zart und sehnsuchtsvoll die besondere Atmosphäre des Mittsommers beschreibt. Alle Stücke sind in sich geschlossen wie kleine Filmszenen. Klar strukturiert folgen sie einer perfekten Dramaturgie, die stets Balance zwischen Spannung und Ausgleich findet.
Insgesamt verströmt die Musik Tingvalls trotz temporeicher Passagen Ruhe, wie sie in unberührten skandinavischen Landschaften zu finden ist. Das erinnert tatsächlich an Edvard Grieg, ebenso die Verwendung volksliedhafter und klassischer Elemente. Tingvall findet aber eine eigene zeitgemäße und auch zeitlose Sprache, die nicht nur Jazzfans anspricht.
Dreifacher Echo-Preisträger


Ein intensives, intimes Konzerterlebnis mit nur einem Wermutstropfen: Lediglich 60 Zuhörer haben den nicht alle Tage in Schweich gebotenen Auftritt eines dreifachen Echo-Preisträgers wahrgenommen.

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