"Ein langer Prozess"

DAUN/GEROLSTEIN. Weiter erschwert werden die Bemühungen um die Integration von Aussiedlern durch drei aktuelle Aspekte: das neue Zuwanderungsgesetz, immer mehr Aussiedler und Familienangehörige ohne Deutschkenntnisse sowie die Jugendlichen zwischen 13 und 16 Jahren, die gewaltbereit sind, aber ansonsten "null Bock" haben.

"Die aktuellen Trends stimmen mich pessimistisch", sagt Guido Hannawald, Caritas-Streetworker im Kreis Daun. Vor allem die soziale Gesetzgebung und die zur Zuwanderung sind es, die seinen Pessimimus wecken. "Die neue Regelung ist auf künftige Zuwanderer zugeschnitten. Diese haben - was notwendig ist - Anspruch auf Sprachkurse. Diejenigen, die bereits hier sind, werden mehr und mehr vergessen", sagt Hannawald. Er spielt damit auf dreierlei an: erstens die schrittweise Streichung von Geldern für Sprachkurse bei zweitens enormer Zunahme der Aussiedler, die keine oder kaum Deutschkenntnisse haben sowie drittens die Erfahrung, dass viele nicht sofort ihre Hilfeleistungen in Anspruch nähmen, sondern zunächst versuchten, sich "durchzuwursteln und erst nach Jahren zu uns kommen - wenn alles über ihnen zusammenbricht und beispielsweise der Vermieter die Kündigungsklage eingereicht hat". Sein Kollege Michael Fasen konkretisiert: "Anfang der 90er hatten 80 Prozent der Spätaussiedler Deutschkenntnisse, bis heute hat sich dieser Trend umgekehrt." Neben den Abkömmlingen der "ersten Generation" sind es vor allem die Ehepartner anderer Nationalität - meist Russen -, die wegen ihrer mangelnden Sprachkenntnisse Probleme in Deutschland haben. Denn, so Fasen: "Eine berufliche Integration ohne Sprachkenntnisse ist von vornherein zum Scheitern verurteilt." Mit Besorgnis registrieren die beiden Experten auch, dass neben den Jugendlichen, die mittlerweile auf Ausbildung und Zukunftsplanung großen Wert legen, nicht wenige der jüngeren Aussiedler "durch Gewaltbereitschaft und Drogenmissbrauch auf sich aufmerksam machen, aber ansonsten in ihrer Freizeit nur rumhängen". Eine Erklärung? "Viele kommen mit unserem liberalen System nicht zurecht, weil ihnen die klare Grenzziehung fehlt", sagt Hannawald. Als Beispiel nennt er die Respektlosigkeit gegenüber Lehrern und der Polizei. Der Lehrer oder Polizist nicht als strafendes Organ, sondern als Partner - für viele unvorstellbar. Eine Einschätzung, die auch Werner Müllen von der Polizei in Daun teilt. Dennoch sagt er: "Die harte Hand, wie sie die Aussiedler vielleicht von der Polizei in ihrer früheren Heimat kennen, ist nicht das Mittel, mit dem wir arbeiten." Auch Hannawald setzt auf Prävention, aber "ohne erhobenen Zeigefinger". Und trotz Erfolgen sowie aller Bemühungen, die sich darauf konzentrieren, Gespräche zu suchen und praktische Hilfe zu leisten, sagt Hannawald: "Integration ist ein langer Prozess." Und damit meint er nicht Monate oder Jahre, sondern zwei bis drei Jahrzehnte. Hilfe für Aussiedler bei der Caritas Daun (06592/95730), der HWK (06591/985238), der Dekra (06591/981855) sowie im Lernzentrum Gerolstein (06591/982425).

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