Psychologin: Zeugin ist nicht stimmig

Der Vorwurf der sexuellen Nötigung gegen Ewald Mattes fußt im Wesentlichen auf den Aussagen einer Frau. Wie glaubhaft die Angaben dieser Zeugin sind, will das Gericht mithilfe einer psychologischen Sachverständigen klären.

Koblenz/Kaisersesch. (awa) Der Prozess um den Kaisersescher Bürgermeister Ewald Mattes geht fast in die letzte Runde. Vor dem Koblenzer Landgericht hat jetzt die psychologische Sachverständige Hildegard Arz auf mehrere Unstimmigkeiten in den Aussagen der Nebenklägerin hingewiesen. Diese ist die Hauptbelastungszeugin im gesamten Prozess. Sie wirft ihrem früheren Chef Ewald Mattes sexuelle Belästigung auf einer Dienstreise vor.

Hildegard Arz ist auf Antrag von Mattes' Verteidiger Rüdiger Deckers vor Gericht geladen worden. Sie hat anhand von schriftlichen Protokollen aus den Gerichtsakten die Aussagen der Zeugin psychologisch begutachtet und sie auf ihre Glaubhaftigkeit hin untersucht. Dabei standen ihr unter anderem Protokolle von Polizeiverhören, Zeugenaussagen, die vor Amts- und Landgericht gemacht wurden, und Arztbriefe zur Verfügung. In ihrem rund einstündigen psychologisch-wissenschaftlichen Vortrag weist sie darauf hin, dass Angaben der Zeugin aus aussagenpsychologischer Sicht unstimmig seien. Die Zeugin schildert etwa, dass ihr in der Stuttgarter U-Bahn bereits klar geworden sei, dass sie ihren Job in der Verwaltung nun los sei. Dennoch lässt sie sich auf ein Treffen mit Mattes an der Hotelbar ein, steigt mit ihm in den Aufzug und wirft später die zerrissene Bluse weg.

Außerdem, so Arz, gebe es Hinweise, dass die Zeugin nicht das wirklich Erlebte schildert, sondern dass sie über eine sogenannte Pseudoerinnerung, also Scheinerinnerung, spreche. Arz erklärt: "Das Kennzeichen von Pseudoerinnerungen ist, dass sie nicht aus dem Nichts heraus produziert werden, sondern, dass sie im Alltag durch fehlgedeutete Handlungen entstehen."

Hinweise auf eine Pseudoerinnerung sieht Arz darin, dass die Zeugin schon vor der mutmaßlichen Tat Gespräche über Mattes und dessen Umgang mit Frauen mitbekommen hatte. Außerdem liege zwischen der angeblichen Tat und der Anzeige ein Zeitraum von einem Jahr. "Man müsste untersuchen, wie die Zeugin mit Erinnerung umgeht", so Arz. Möglicherweise habe sie unwissend durch Beeinflussung Anderer das subjektiv Erlebte gar nicht wirklich erlebt.

Rechtsanwalt Deckers bat die Vorsitzende Richterin erneut eindringlich, ein psychologisches Gutachten der Zeugin erstellen zu lassen. "Ich möchte die richterliche Sachkompetenz nicht infrage stellen, sondern sie erweitern", sagt er. Es solle der Zeugin keine schwere Persönlichkeitsstörung nachgewiesen werden, sondern es gehe um die Beurteilung der Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen. Der Prozess wird am 13. April, 13.30 Uhr, fortgesetzt. Die Hauptbelastungszeugin wird an diesem Tag erneut verhört.

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