Lobbyisten mit Stallgeruch

Brüssel · Die Autobranche setzt gezielt darauf, Profis aus dem Politikbetrieb als Interessenvertreter anzuheuern. Deren Einfluss auf die Hygiene in den Konzern ist aber offenbar begrenzt.

Brüssel Die Frage ist berechtigt: Hat die Politik den Autokonzernen zu lange den Rücken gestärkt? War es auch angesichts des sich an vielen Fronten abzeichnenden Desasters ein Fehler, die Branche geschont zu haben? Die Autobranche hat ihrerseits gezielt in der Politik nach Persönlichkeiten gesucht, die sich als Fürsprecher eignen. Bei der Auswahl ihrer Chef-Lobbyisten setzen die Hersteller immer stärker darauf, Persönlichkeiten zu verpflichten, die innerhalb des politischen Apparates hohe Funktionen hatten. Die Konzerne setzen darauf: Wenn es darum geht, Einfluss zu nehmen, dann sind Handy-Nummern und über Jahre und Jahrzehnte gewachsene professionelle wie persönliche Beziehungen wichtig.
Daimler hat seinen Cheflobbyisten kurz vor der letzten Bundestagswahl abgeworben. Der Niedersachse Eckhart von Klaeden (CDU) saß im Regierungsapparat von Merkel. Als von Klaeden nach knapp 20-jähriger Abgeordnetentätigkeit die Seiten wechselte und Cheflobbyist bei Daimler wurde, war die öffentliche Empörung groß. Die Staatsanwaltschaft Berlin leitete ein Verfahren wegen des Verdachts der Vorteilnahme ein, das 2015 eingestellt wurde.
Klaedens Vorgänger sind ebenfalls gute Bekannte: Klaeden übernahm von Martin Jäger (52), der früher Sprecher von Frank-Walter Steinmeier war und heute Staatssekretär im Innenministerium von Baden-Württemberg ist. Dessen Vorgänger als Chef für Regierungskontakte bei Daimler war der SPD-Mann Dieter Spöri (74), ehemals Vize-Ministerpräsident im Südwesten und im Parteivorstand.
BMW hat den Cheflobbyisten im Umfeld der CSU gesucht und gefunden: Maximilian Schöberl war in den 1990er Jahren ein enger Mitarbeiter des damaligen Bundesfinanzministers und CSU-Chefs Theo Waigel.
VW hat 2012 den ehemaligen Vize-Sprecher der Bundesregierung, Thomas Steg (57/SPD), verpflichtet. Steg war von 2002 bis 2009 Vize-Regierungssprecher. Steg schaffte es, zuerst das Vertrauen von Gerhard Schröder zu genießen und das von Angela Merkel. BMW setzt auf CSU, Daimler auf CDU und VW auf SPD. Die Cheflobbyisten wirken eher im Hintergrund.
Das Gesicht der Autolobby ist Matthias Wissmann. Der 68-jährige Ludwigsburger ist seit zehn Jahren Präsident des Branchenverbandes VDA. Er gehört sicher nicht zu den wenigen Vertrauten Merkels. Die Kanzlerin wahrt Distanz, das Verhältnis der beiden ist eher von professioneller Loyalität gekennzeichnet. Wissmann hat in den letzten Jahren immer wieder für die Branche die Kastanien aus dem Feuer geholt. Er war beteiligt, als die Abwrack-Prämie ausgelobt wurde. Er hat mitgefingert, als es darum ging, die CO{-2}-Grenzwerte zu verwässern, die Brüssel für 2025 plante und die deutschen Hersteller nicht würden einhalten können.
Aus Sicht der Branche war Wissmann in der Vergangenheit sein Gehalt und seine Privilegien wert. Bei den gravierenden Vorwürfen, die im Raum stehen, und den vielen Chef-Lobbyisten mit politischem Hintergrund drängt sich eine Frage auf: Haben diese hochbezahlten Leute, die aus der Politik kommen, überhaupt Einfluss auf das Innenleben der Konzerne? Bei ihnen hätten alle Alarmglocken schrillen müssen. Ob bei Schummelsoftware oder Kartellverdacht. Wissmann behauptet, nichts gewusst zu haben. Bei den Cheflobbyisten weiß man es nicht.
Ein Insider: "Wenn sie nichts gewusst haben, wäre das ein Armutszeugnis." Es hieße, dass sie schlecht eingebunden sind und nicht wissen, was abläuft. Zwei Hersteller sollen eine Art Selbstanzeige wegen der Absprachen erstattet haben. Ein Beobachter: "Dann steht es jetzt 1:0 für Eckart von Klaeden." Den Daimler-Mann, der vorher im Kanzleramt gearbeitet hat. Daimler soll VW mit der Selbstanzeige zuvorgekommen sein und könnte wegen der Kronzeugenregelung auch bei einem entlarvten Kartell straffrei vom Platz gehen.

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