Turner Boy nach Verletzung auf Olympia-Kurs

Montpellier (dpa) · Mit rasanten Fahrten in schnellen Autos hat sich Philipp Boy auf eine heiße Turn-Saison eingestimmt. Auf dem Hockenheim- und dem Lausitzring war der deutsche Turnstar in seinem Rennwagen ganz Feuer und Flamme.

„Dieser Boxenstopp war echt geil“, bekannte der Cottbuser, ehe er sich wieder voll und ganz auf den ersten Saison-Höhepunkt bei den Europameisterschaften in Montpellier konzentrierte.

In der 250 000 Einwohner zählenden Stadt am Mittelmeer gibt es für den Lausitzer und seine vier Teamgefährten den „ultimativen Check-up für Olympia“. Obwohl es für Boy diesmal nicht darum geht, den im Vorjahr in Berlin gewonnenen Titel im Mehrkampf zu verteidigen, wird er wie sein Freund Marcel Nguyen an allen sechs Geräten turnen und möchte gern auch „Finals mitnehmen“. Natürlich steht in seinem Fokus vor allem das Reck, an dem er in Berlin Zweiter war. Neuerdings wies er aber auch Fortschritte am Boden nach und klopfte erstmals beim Challenge Turnier in seiner Heimatstadt Cottbus an der Tür zur Weltspitze.

Statt des Mehrkampfes steht in Montpellier der Team-Wettkampf auf dem Programm. Vor zwei Jahren in Birmingham hatten die Deutschen dort erstmals den Titel gewonnen. Doch ohne Fabian Hambüchen, der sich individuell auf Olympia vorbereitet und auf die EM verzichtet, steht die Titelverteidigung nicht im Vordergrund. „Unser Team ist so aufgestellt, dass wir Kandidaten ausgewählt haben, die bei Olympia Final- und Medaillenchancen haben. Es ist nicht unsere Strategie, mit aller Macht den Team-Titel zu verteidigen“, formulierte Sportdirektor Wolfgang Willam das Anspruchsdenken.

Auch für den Spitzensportchef im Deutschen Turner-Bund haben Hambüchen, Boy und Nguyen die besten Karten auf einen Olympia-Start in London: „Das sind unsere drei Grundpfeiler.“ Sprung-Talent Matthias Fahrig, Routinier Eugen Spiridonov und der am Dienstag noch an heftigen Magen-Darm-Problemen leidende Pauschen-Spezialist Sebastian Krimmer haben in Südfrankreich die Chance, Pluspunkte für die Olympia-Nominierung zu sammeln, die endgültig am 31. Juni nach der deutschen Qualifikation in Frankfurt am Main bekanntgegeben wird.

Trotz des Konkurrenzkampfes herrscht im Team beste Stimmung. „Es macht wieder richtig Spaß, mit solch einer Truppe zu trainieren“, betonte Philipp Boy. Aufgrund der monatelangen Verletzungen an Handgelenk und Schlüsselbein fehlt dem 24-Jährigen noch einiges zur Olympia-Form. „Im Moment lassen mich die Schmerzen fast in Ruhe. Ich werde daher in Montpellier versuchen, meine alten Übungs-Inhalte der WM von Tokio stabil vorzustellen.“

Bei seinem ersten Mehrkampf der Saison in Kienbaum hatte sich Boy mit 88,45 Punkten auf Anhieb wieder an die Spitze der Riege gesetzt. „Ein deutlicher Schritt vorwärts. Aber wir wissen auch, dass einiges noch nicht im grünen Bereich ist“, meinte Trainer Karsten Oelsch mit Blick auf kleinere Fehler am Reck.

Im Podiumtraining musste Boy nach der einarmigen Riesenfelge sogar unfreiwillig vom Gerät, sodass Cheftrainer Andreas Hirsch von einem „durchwachsenen Auftritt“ sprach. Boy will nun im EM-Vorkampf mit Ausgangswert 7,2 oder 7,3 starten. Fabian Hambüchen hatte dagegen erst kürzlich ein Video seines ersten Trainings-Wettkampf an seinem Paradegerät mit der Schwierigkeit von 7,7 im Internet veröffentlicht.

Seit 2007 haben die deutschen Turner stets einmal Gold von europäischen Titelkämpfen mitgebracht. Ganz heißer Kandidat auf den Titel ist auch in diesem Jahr Marcel Nguyen, der mit seiner komplizierten Barren-Übung (Ausgang 6,8) derzeit in Europa ganz weit vorn liegt. Bei perfekter Ausführung könnte der Hachinger als erster Deutscher seinen EM-Titel an diesem Gerät verteidigen.

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