An die falschen Berater geraten

REGION. Wenn alles gut geht, verspürt Helmut Neis aus Plein (Kreis Bernkastel-Wittlich) in wenigen Wochen einen unglaublichen Moment der Erleichterung. Und zwar dann, wenn ein Richter seinem Antrag auf Privatinsolvenz grünes Licht gibt. Dann hat die Zeit der Zahlungsaufforderungen, Mahnbescheide, Lohnpfändungen und Gerichtsvollzieherbesuche nach Jahren ein Ende.

Donnerstag, 2. Februar: Helmut Neis sitzt im Behandlungszimmer eines Psychologen. Der soll den Forstarbeiter auf dem Weg zurück in ein "normales" Leben begleiten und ihm dabei helfen, wieder Selbstbewusstsein aufzubauen. Denn den Glauben an sich hat Neis in den vergangenen Jahren gänzlich verloren. Zu Alkoholproblemen und einer zerbrochenen Ehe kamen zwei Selbstmordversuche: Ein angehäufter Schuldenberg von rund 130 000 Euro hatte seine Lebenslust erdrückt. "Ich war am Ende." Die Tragödie nahm ihren Anfang, als er 1991 von seinem Arbeitskollegen ein komplett renovierungsbedürftiges altes Haus für rund 80 000 D-Mark kaufte. 50 000 Mark vom Kaufpreis finanzierte der Verkäufer, dem Neis dafür monatlich 400 D-Mark zahlen musste. Für die restlichen 30 000 nahm er ein Darlehen auf. Seine Frau musste zu dieser Zeit ihren Job wegen der Kinder aufgeben. "Bis zu dem Zeitpunkt war eigentlich noch alles in Ordnung", sagt Neis. Das änderte sich aber, als er einen weiteren Kredit über 30 000 D-Mark aufnehmen musste. Zudem verschlang der wegen der Kinder notwendige Innenausbau des Hauses weiteres Geld: Das Gehalt des Forstarbeiters reichte nicht mehr aus, um die Kredite zu tilgen und die Rechnungen zu bezahlen. "Mithilfe eines Finanzierungsberaters haben wir den Kredit vom Hauskauf und vom Kanalausbau umfinanziert und neues Geld aufgenommen." Als aber der dringend nötige Dachausbau und neue Fenster anstanden, reichte das Geld wieder nicht. "Das alles hat mir das Genick gebrochen und ich merkte, so geht es nicht mehr weiter." Anstatt sich professionelle Hilfe zu holen, versuchte er, einen weiteren Kredit aufzunehmen, was ihm nicht gelang. Ein Arbeitskollege empfahl ihm daraufhin einen neuen Finanzberater. "Das kriegen wir schon hin, hat der gesagt." Eine leere Versprechung, wie sich bald herausstellte. Zu Hause türmten sich die Rechnungen vom Umbau, es hagelte Mahnbescheide, und auch der Gerichtsvollzieher ließ sich immer öfter blicken. Denn zu den Ausgaben für eine vierköpfige Familie kamen mittlerweile monatliche Kreditzahlungen von fast 1000 Euro. Der eher zurückgezogene Neis wurschtelte weiter. "Ich war nie der, der andere um Hilfe gebeten hat." Stattdessen bettelte er bei unzählige Banken um weitere Kredite - ohne Erfolg. "Ich war am Boden zerstört. Ich hatte alles Mögliche versucht, um das Haus noch zu retten, aber nichts funktionierte." Zu dieser Zeit ging Neis zum ersten Mal zu einem Nervenarzt und suchte Hilfe bei einem Psychologen. Nachdem die Versteigerung des Hauses 2004 nur 30 000 Euro eingebracht hatte, versuchten die Darlehensgeber durch Pfändungen an das restliche Geld zu kommen. Neis legte eine eidesstattliche Versicherung ab und holte sich zum ersten Mal Rat bei der Schuldnerberatung der Caritas. Zum Weg in die Privatinsolvenz reichte der Mut aber noch nicht. "Mach das nicht, dann hast du ja nichts mehr", rieten ihm Freunde. Als dann sein Konto gepfändet wurde und eine weitere eidesstattliche Versicherung anstand, entschloss er sich Mitte 2005 für die Privatinsolvenz. Er und seine Frau hatten sich etwa ein halbes Jahr vorher getrennt. Seitdem lebt er in einem Kellerzimmer mit kleinem WC. Von seinem Lohn bleiben etwa 400 Euro im Monat. Mit dem bald beginnenden Insolvenzverfahren gibt es wieder "einen Lichtblick", wie er sagt, weil dann die Pfändungen aufhören. Zum Psychologen muss er erst wieder im April, denn mit seinem Selbstbewusstsein geht es jetzt auch wieder aufwärts.

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