Mampfen fürs Selbstwertgefühl

TRIER. In den vergangenen Jahren ist zu beobachten, dass immer mehr Kinder Therapie brauchen, weil sie zu dick und zu bewegungsfaul sind. Die Zahlen sind alarmierend: Die Auswertung der Daten von über 130 000 Jugendlichen aus 230 Kinderarztpraxen ergibt: 18 Prozent aller Kinder und Jugendlichen in Deutschland haben Übergewicht, sieben Prozent leiden unter Fettsucht (Adipositas).

Als fettsüchtig gelten Kinder und Jugendliche dann, wenn ihr Gewicht rund 20 Prozent über dem Durchschnitt ihrer Altersgruppe liegt. Hauptursache dafür, dass die Zahl der übergewichtigen Kinder in Deutschland in den nächsten Jahren vermutlich explodieren wird ist, dass sich Kinder zu wenig bewegen und sich falsch ernähren. Mädchen benachteiligt

Mädchen aus sozialen Randgruppen sind am ehesten betroffen. Bei ihnen verschlimmert sich die Situation deutlich. Fette und süße Sachen werden oft völlig unkontrolliert in sich hineingestopft. Das gemeinsame Essen in der Familie ist für viele zu einer Seltenheit geworden. Allerdings hat die Fettsucht schwere Folgen für die Gesundheit wie Bluthochdruck, Herzkrankheiten, Gelenkschäden und sogar Diabetes. Ebenfalls sind massive Konzentrationsstörungen bei den Kindern und Jugendlichen durch falsche Ernährung zu beobachten, die wiederum zur Verschlechterung der schulischen Leistungen führen. Die Kinder und Jugendlichen geraten dann oft in einen Teufelskreis: fehlender familiärer Rückhalt und schlechte Leistungen in der Schule fördern Frustrationen. Hänseleien trüben das Selbstbewusstsein. Die Kinder fangen an, sich zuzustopfen und erlernen allmählich Hilflosigkeit. Dass Sport und Bewegung Spaß macht, haben sie seit langem vergessen. Bewegungsfaulheit und Fresssucht lassen die Kinder langsam verhaltensauffällig vereinsamen. Um den Teufelskreis in einen "Engelskreis" zu verwandeln, hilft oft nur starke Hilfe von außen: Eltern, Freunde, Lehrer, Ärzte sollten direkt eingreifen und dem Kind Hilfsmöglichkeiten anbieten. Zunächst auf natürlichem Weg, d.h. über Sport, Spielen und Bewegung in Gruppen. Natürliche Rauschzustände die ein Kind durch die Freude an der Bewegung erlebt, sind ein guter Schutz gegen Suchtentwicklung. In manchen Fällen ist eine stationäre Behandlung der übergewichtigen Kinder und Jugendlichen allerdings unumgänglich. In Spezialkliniken lernen sie, was es heißt, satt zu sein. Beim Essverhaltenstraining lernen sie, dass satt sein nicht heißt "mir ist übel". Dauerhaft können die Kinder ihr Gewicht aber nur durch Verhaltensänderungen erzielen. Und hier ist die Familie gefragt. Wenn Kinder zu dick und bewegungsfaul werden, liegt das oft nur an der Bequemlichkeit und Faulheit der Eltern. Die Kinder sind ihr Spiegelbild.Kein Rückhalt in der Familie

Gemeinsames Essen in der Familie, gemeinsames Sich-Bewegen und Sport stärken Kinder. Essen ist für Kinder lebensnotwendig, aber Essen darf für sie nicht zum Lebensinhalt werden. Wenn man sein Leben verlängern will, sollte man seine Mahlzeiten verkürzen. Christian Lüdke ist Erziehungswissenschaftler in Köln ( www.christianluedke.de). Er gibt in Gastbeiträgen TV-Lesern regelmäßig Erziehungstipps. Haben Sie Fragen zum Thema? Mailen Sie uns: familie@volksfreund.de

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