Gedanken zum 3. Oktober

Eine Fahne hatte ich zwar nicht in der Hand, aber ich war dabei. Den historischen Moment des 3. Oktober 1990 habe ich damals in der großen, bunten Menschenmenge vor dem Berliner Reichstagsgebäude erlebt.

20 Jahre nach dem Fall der Mauer hat dieser Tag in diesem Jahr einen besonderen Charakter. Gut, dass das offizielle Fest mit Bundespräsident und Kanzlerin mit einem ökumenischen Gottesdienst in Saarbrücken beginnt. Der Bischof von Trier wird daran teilnehmen. Dieser Auftakt erinnert auch an das Wirken von Christen, die mitgeholfen haben, die vielfältig gesicherte Mauer - auch die in den Köpfen - abzubauen. Ich denke nur an die Montagsgebete in der Leipziger Nikolaikirche. Die Erinnerung an das Engagement von Christen ist wichtig.

Sie wirkten und wirken weiterhin in der Gesellschaft. Christen gibt es in allen politischen Parteien. Mit unterschiedlichen Meinungen und heftigen Differenzen. Verbunden sind sie als Christen dadurch, dass sie fest glauben, dass da mehr ist, als wir jetzt erfahren. Und genau dieser Glaube lässt Christen eben dieses konkrete diesseitige Leben sehr ernst nehmen und gestalten. Diese Verantwortung verbindet sie mit allen Menschen guten Willens, welche Weltanschauung sie immer auch prägen mag. Möglichst ohne lockere Sprüche und vorschnelle Lösungen. Auf einem Briefkasten las ich: "Meine Meinung steht fest. Bitte verwirren Sie mich nicht durch Tatsachen." Genau das sollte aber geschehen! Verhärteten Fronten, rein emotionalen Meinungen, leichtfertigen Vorurteilen mit der Vernunft begegnen. Dazu können Christen in allen Parteien beitragen: Gott hat uns nicht nur ein Herz gegeben, sondern auch ein Hirn. Vom französischen Politiker Robert Schuman erzählt man: "Er nahm seinen Sitz im Parlament ein, wie ein Mönch seinen Platz im Chorgestühl." Nicht um dort zu singen und laut zu beten, sondern um im Bewusstsein vor Gott verantwortlich zu handeln.

Monsignore Stephan Wahl, Trier

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