Die Kulturwoche, betrachtet von Rainer Nolden Hauptstadtrivalitäten und die Trends in Kunstmuseen

Es soll Menschen geben, die noch immer trauern, weil Bonn nicht mehr Bundeshauptstadt ist. Dabei haben diese Städte doch eine Menge gemeinsam, könnten also sozusagen geschwisterlich auf Augenhöhe miteinander umgehen.

 Die Düfte „Aspects No. 1“ (rechts) und „Aspects No. 2“ im New Museum. In den Glasflaschen ist der Umriss des Museumsgebäudes zu erkennnen.

Die Düfte „Aspects No. 1“ (rechts) und „Aspects No. 2“ im New Museum. In den Glasflaschen ist der Umriss des Museumsgebäudes zu erkennnen.

Foto: dpa/Johannes Schmitt-Tegge

Beide beginnen mit B und enden mit N, beide werden immer teurer, was das Wohnen angeht – und jetzt hat die gemütliche Stadt am Rhein auch ihr eigenes BER-Desaster. Nein, nein, der Flughafen funktioniert; den teilen sich die Bonner ja mit den Kölnern, und die haben genug eigene Baustellen in der Innenstadt. Dafür haben sie jetzt ihr BHD, ihr Beethoven-Hallen-Desaster. Der Konzertsaal mit dem unwiderstehlichen Charme der 1960er Jahre wird seit einiger Zeit restauriert und soll angeblich 2020 wieder für die Musik zur Verfügung stehen. Und das Ganze war mit Kosten von 61,5 Millionen Euro auch einigermaßen überschaubar. Aber da hatten wohl einige „Experten“ wieder einmal nicht ihre Hausaufgaben beziehungsweise die Rechnung ohne das Fundament gemacht, auf dem die Halle steht. Das ist nämlich nicht so felsenfest wie die Gutachter anfangs behaupteten. Was nun dazu geführt hat, dass – zusammen mit noch ein paar anderen Schludereien – die Baukosten mal eben auf 113,5 Millionen steigen. Auch der Eröffnungstermin von 2020 wird sich wohl um zwei Jahre verschieben. Immerhin sagte Bonns Stadtdirektor Wolfgang Fuchs bei einer Sondersitzung zur Beethovenhalle zerknirscht, der Vorgang schmerze ihn. Und nutzte die Gunst des Augenblicks – wer tritt schon nach bei einem reuigen Büßer? –, um zu verkünden, dass die Halle auch erst weit nach 2022 fertig werden könnte. Bis dahin könnte das Baugerüst mit einem Banner abgedeckt werden, auf dem die ersten Zeilen eines Schlagers von Ilse Werner abgedruckt sind – gleichsam als Verheißung und Trost: „Wir machen Musik, da geht euch der Hut hoch …“

Das hat bisher noch gefehlt beim Museumsbesuch: die Befriedigung des Geruchssinnes. Kunst nimmt der Mensch vor allem mit Augen und Ohren wahr, aber ein Museum in New York will mit einem eigenen Parfüm nun auch den Geruchssinn seiner Besucher ansprechen. „Aspects No. 1“ und „Aspects No. 2“ heißen die beiden Düfte, die ausschließlich im Souvenirladen des New Museum in Manhattan verkauft werden, einem Haus, das sich der modernen Kunst verschrieben hat. In den kleinen Glasflaschen ist der Umriss des Museumsgebäudes zu erkennen, das von außen wirkt wie ein paar aufgetürmte Bauklötze. Ihrer Beschreibung nach erinnern die Düfte durchaus an Kunst, die im New Museum zu sehen sein könnte. Duft Nummer eins hat Moschusnoten, der zweite ist blumiger. Eine nette Idee eigentlich, bringt sie doch zusätzlich Geld in die Kasse. Archäologische Museen sollten jedoch vielleicht auf eigene Duftnoten verzichten.

Bleiben wir im Museum, wenn auch auf der anderen Seite des Erdballs: In der weltbekannten Moskauer Tretjakow-Galerie hat sich ein Mann mitten in einer Ausstellung ausgezogen und, nur mit Tanga bekleidet, in aller Seelenruhe die Bilder angeschaut. Er sei durch mehrere Räume spaziert und habe die Galerie danach verlassen, meldeten mehrere russische Medien am Donnerstag. In einem Video ist zu sehen, wie der Mann ganz gelassen an Besuchern vorbeigeht und interessiert zu den Gemälden schaut.Eigentlich müssten die Verantwortlichen aus diesem Vorfall Schlüsse ziehen, die in sämtlichen Museen der Welt zwecks Sicherung der Kunstwerke zur Anwendung kommen sollten: Wenn alle Besucher die Kunsttempel mit nichts als einem Slip bekleidet betreten dürften, würde dies  verhindern, dass sie zerstörerisches Werkzeug oder Spraydosen in die Hallen schmuggeln können. Weder wären Rembrandts „Nachtwache“ noch Dürers „Beweinung Christi“, Lucas Cranachs Bildnisse von Martin Luther und dessen Frau Katharina von Bora oder William Turners „Aufgehende Sonne im Dunst“ und die „Vermählung von Isaak und Rebekka“ von Claude Lorrain, beide in der Londoner National Gallery, einem Attentat zum Opfer gefallen. Fazit: Manche Straftaten lohnen sich eben doch. Man muss nur das Beste daraus machen. no/dpa

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