Kultur „Ich will mit meiner Musik Geschichten erzählen“

Exklusiv | Saarburg/Hamburg · Warum der Jazzpianist auf dem Soloalbum anders klingt als mit seinem Trio – und was er für den Auftritt in Saarburg plant.

 Pianist Martin Tingvall (hier bei den Jazztagen in Leverkusen) spielt am Freitag in Saarburg.

Pianist Martin Tingvall (hier bei den Jazztagen in Leverkusen) spielt am Freitag in Saarburg.

Foto: picture-alliance/ dpa/Federico Gambarini

Martin Tingvall ist Schwede, lebt aber schon seit langem in Hamburg. Er ist mit Udo Lindenberg befreundet und hat schon mehrere Stücke für ihn komponiert, unter anderem „Wenn Du durchhängst“ vom Album „Stark wie zwei“. Außerdem hat er für mehrere Tatort-Verfilmungen die Filmmusik geschrieben. Sein Trio mit dem Schlagzeuger Jürgen Spiegel und dem Bassisten Rodrigues Calvo erhielt drei Jazz-Echo-Preise. Tingvalls jüngstes Solo-Projekt, The Rocket, landete auf Anhieb auf Platz 1 der deutschen Jazz-Album-Charts. Unser Redakteur Alexander Schumitz hat mit dem Musiker über das Konzert am Freitag, 8. November, in Saarburg gesprochen.

Martin Tingvall, wenn man sich mit Ihrer Person beschäftigt, merkt man, dass Sie musikalisch sehr vielseitig sind. Sie sind solo unterwegs. Sie haben das Tingvall Trio, dessen Sound ein anderer ist, im Vergleich zum Soloalbum. Sie haben zusammen mit Udo Lindenberg Musik gemacht, und die Filmmusik zu mehreren Tatorten komponiert. Das ist eine sehr große Bandbreite. Gibt es eine Musikrichtung, von der Sie sagen, dass dafür Ihr Herz schlägt?

Martin Tingvall: Vielleicht klingt die Antwort zu selbstbewusst. Mein Herz schlägt für all diese Stile. Ich liebe es, verschiedene Genres zu hören und zu spielen. Mein Glück ist, dass ich diesen Weg gehen kann. Ich habe Songs für Künstler komponiert, die meine Musik täglich live performen. Seit ich Klavier spiele, habe ich kleine Melodien geschrieben. Mit Freunden habe ich meine erste Band gegründet, als ich zehn Jahre alt war. Aber: Klavier solo ist eine riesige Herausforderung. Ich bestimme, wo die Musik herkommt und wohin die Reise geht. Aber der Augenblick, an dem alles passt, ist toll: Ich spiele die Musik, die ich selbst und für mich geschrieben habe. Deshalb darf ich sie auch so spielen, wie sie mir gefällt. Mein Traum war es, klassischer Solo-Pianist zu werden. Aber ich habe keinen Studienplatz bekommen. Stattdessen bin ich einen anderen Weg gegangen. Das ist eine fantastische Erfahrung.

Sie haben vom Reisen gesprochen. Wie ist das Leben zwischen zwei Kulturen: Sie leben in Hamburg, haben aber schwedische Wurzeln. Wie sehr beeinflusst Sie das und spiegelt es sich in der Musik wider?

Tingvall: Alles, was ich lebe, spiegelt sich in meiner Musik wider. Ich bin Schwede. Meine Musik ist von meinen skandinavischen Wurzeln geprägt. Man hört darin sehr viel schwedische Folklore. Der skandinavische Sound ist zum Glück in Deutschland sehr beliebt. Er ist ein Teil von mir.

Schwedische Musik war in Deutschland immer sehr beliebt, im Jazz fällt da schnell der Name Esbjörn Svennsson Trio (est). In wie weit beeinflusst dich diese Musik?

Tingvall: Wenig. Obwohl est eine wunderbare Band war. Einen Tag nach dem Esbjörn Svensson bei einem Tauchunfall im Juni 2008 tödlich verunglückt war, habe ich mir alle ihre Platten gekauft und angehört. Das war für mich ein wichtiger Impuls. Ich war geschockt. est hat einen Weg geebnet, und das Trio aus Pianist, Schlagzeuger und Bassist populär gemacht. Zwischen Esbjörns und meiner Musik gibt es viele Ähnlichkeiten, etwa den Sound. Und es gibt deutliche Unterschiede. So hat est viele elektronische Elemente eingesetzt. Wunderbar! Aber im Tingvall Trio setzen wir auf Akustik – vielleicht weil hier ein Deutscher, ein Kubaner und ein Schwede aufeinandertreffen.

Ich finde, dass sich Ihr Sound – etwa auf dem Album The Rocket – deutlich vom Sound des Tingvall-Trios unterscheidet.

Tingvall: Ja, das war mir extrem wichtig. Martin Tingvall sollte nicht klingen, wie das Tingvall Trio ohne den Bassisten Omar Rodriguez Calvo und den Schlagzeuger Jürgen Spiegel. Das wäre mir zu wenig. Ich habe sehr lange in mich hineingehört, um Songs für Solo-Klavier zu schreiben, die wirklich funktionieren. Ein Klavier ist ein Symphonieorchester – du kannst es sehr perkussiv oder legato spielen, Du kannst es streicheln oder Schlagzeug darauf spielen. Es gibt unzählige Variationen. Es muss nicht immer was passieren. Oft reichen wenige Töne – und die Reise geht weiter.

Sie spielen am Freitag in Saarburg. Haben Sie für das Konzert eine Setlist vorbereitet? Worauf dürfen sich die Konzertbesucher einstellen?

Tingvall: Es gibt tatsächlich eine kleine Setliste, die in meiner Hosentasche steckt. Sie ist für mich ein Leitfaden, an dem ich mich während des Konzerts orientiere. Aber das Beste für mich ist das Unvorhersehbare, das Spontane. Meine Setliste interessiert mich dann kaum. Je öfter ich solo auftrete, umso freier werde ich in meinen Konzerten. Das gibt mir die Freiheit, auf den Moment und Ort zu reagieren. Natürlich ist mein aktuelles Album, The Rocket, ein wichtiger Teil meines Auftritts. Aber wie ich die Stücke interpretiere, hängt von vielen Faktoren ab; etwa der Akustik des Konzertsaals und davon, wie der Flügel klingt, und wie er sich spielt. In dem Augenblick, in dem ich mich selbst überrasche, da wird es für mich spannend.

Wem würden Sie empfehlen, Ihre Musik zu hören?

Tingvall: Ich freue mich, wenn viele und unterschiedliche Menschen Zugang zu meiner Musik finden. Meine Musik ist Popmusik, sie ist auch klassische Musik und Filmmusik. Man findet in ihr Jazzelemente und Folklore. Ich mag klare und schöne Melodien. Viele Menschen mögen das, wollen von der Musik berührt werden. Ich will Emotionen wecken, mit meiner Musik Geschichten erzählen.
Interview: Alexander Schumitz

Martin Tingvall (solo), Freitag, 8. November, Saarburg, Stadthalle, Beginn: 20 Uhr, Tickets bei den Ticket-Regional-VVK-Stellen.

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