"Das verletzt eher den Stolz der Polen"

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) ist auch Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-polnische Zusammenarbeit. Mit dem 54-Jährigen sprach unser Korrespondent Werner Kolhoff über das angespannte Verhältnis zum Nachbarland.

 Dietmar WoidkeFoto: dpa

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Finden Sie es richtig, dass die EU ein Rechtsstaatsverfahren gegen Polen eröffnet hat, oder verschärft das nur den Konflikt?
Dietmar Woidke: Die polnische Regierung wird wegen des Verfahrens ihr Handeln kaum ändern. Eher werden sich die Polen in ihrem Stolz und ihrem Patriotismus verletzt fühlen. Das ist ja schon an der Reaktion der Medien und sogar der polnischen Opposition abzulesen. Wir sollten dahin zurückkommen, wo wir immer die besten Erfolge hatten: Nicht übereinander, sondern miteinander reden.
Aber musste die EU angesichts der ersten Gesetze der PiS-Regierung, der Reform des Verfassungsgerichts und der Medienkontrolle, nicht so handeln?
Woidke: Natürlich hat die Kommission das Recht, solche Gesetze zu prüfen. Aber man muss sich auch fragen, was denn das Ergebnis sein soll.
Wie sehen Sie selbst diese Gesetze?
Woidke: Offizielle Stellungnahmen aus Deutschland, etwa von mir als Ministerpräsident oder als Koordinator für die deutsch-polnischen Beziehungen, helfen momentan überhaupt nicht. Ich habe in letzter Zeit viel mit unseren polnischen Partnern gesprochen, auch über Bedenken und Sorgen. Aber diese Sorgen sollten wir nicht öffentlich diskutieren.
Ist die Atmosphäre bei den Gesprächen eine andere geworden?
Woidke: Ich war überrascht über die Konstruktivität. Wir haben von den Vertretern der polnischen Regierung klare Signale bekommen, dass sie die Zusammenarbeit mit Deutschland weiter voranbringen wollen, dass sie zur Oder-Partnerschaft stehen und zur Zusammenarbeit in den vielen anderen Bereichen. Auf diese Aussagen verlasse ich mich.
Es gibt in Polen eine Radikalisierung der Sprache, etwa Nazivergleiche. Wie soll man damit umgehen?
Woidke: Dass die polnische Presse mitunter zum Säbel greift, statt zum Florett, ist nichts Neues. Wir sollten damit gelassen umgehen. Außerdem sollten gerade wir Deutschen uns vor dem Hintergrund unserer Geschichte größere Zurückhaltung auferlegen, wenn es um Kritik an polnischem Regierungshandeln geht.
War es also falsch, dass EU-Parlamentspräsident Martin Schulz von einer "Putinisierung" Polens gesprochen hat?
Woidke: Dazu möchte ich mich nicht äußern.
Welche Auswirkungen hat der Streit auf das Verhältnis zwischen den Zivilgesellschaften, zwischen den Bürgern?
Woidke: Wir haben seit der Öffnung der Grenzen in Europa zu Polen so gute zivilgesellschaftliche Beziehungen auf allen Ebenen entwickelt, dass Auseinandersetzungen zwischen den Regierungen in Berlin und Warschau nicht direkt durchschlagen.
Allerdings können die Regierungen die Rahmenbedingungen beeinflussen, etwa für die Weiterentwicklung des Schienennahverkehrs oder der Wirtschaftsbeziehungen. An solchen konkreten Projekten sollten wir weiterarbeiten. Die deutsch-polnischen Beziehungen sind ein großer Schatz. Den sollten wir hüten und uns nicht durch gelegentliche Turbulenzen vom Weg abbringen lassen. wk

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