Doppelpass sorgt weiter für Ärger

Berlin · Beim Thema Doppelpass liegen Union und SPD schon lange über Kreuz. Nun ist ein Kompromiss gefunden. Doch keiner gibt sich damit so recht zufrieden - die Betroffenen genauso wenig wie die eigenen Reihen.

Berlin. Bislang gilt die im Jahr 2000 eingeführte Optionspflicht, nach der man spätestens bis zum 23. Geburtstag zwischen dem deutschen Pass und dem seiner Eltern wählen muss. Nach dem neuen Konzept sollen sich Kinder, die seit der Geburt neben der deutschen Staatsangehörigkeit die ihrer ausländischen Eltern besitzen, künftig nicht mehr zwischen zwei Pässen entscheiden müssen, wenn sie sich bei Vollendung ihres 21. Lebensjahres schon mindestens acht Jahre lang in Deutschland aufgehalten haben. Doppelstaatler kann auch bleiben, wer in Deutschland sechs Jahre lang zur Schule gegangen ist oder über einen deutschen Schul- oder Ausbildungsabschluss verfügt.
In der Praxis sind vor allem türkische Migranten davon betroffen. Mit etwa drei Millionen Menschen bilden sie die größte Ausländergruppe in Deutschland. EU-Bürgern und Schweizern gesteht Deutschland schon heute zwei Pässe zu. Laut Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) haben zuletzt allerdings gerade einmal 176 hier lebende Migranten, die 1990 geboren wurden, wegen der Optionspflicht ihren deutschen Pass verloren. Ob das immer bewusst geschah, lässt sich nicht feststellen. Denn auch wenn keine Erklärung abgegeben wird, erlischt die deutsche Staatsangehörigkeit automatisch.
Für SVR-Vorsitzende Christine Langenfeld ist die jetzt von Schwarz-Rot gefundene Lösung zwar im Prinzip ein Fortschritt. "Dennoch bleibt es bei einer komplizierten und halbherzigen Regelung", kritisiert sie.
Enttäuschte türkische Gemeinde


Denn für die seit vielen Jahren hier lebende erste Generation bringe dieser Kompromiss keine Lösung. Die Türkische Gemeinde in Deutschland zeigte sich ebenfalls enttäuscht. Der Optionszwang falle nicht grundsätzlich weg, klagte ihr Vorsitzender, Kenan Kolat. Obendrein sei unklar, was mit jenen passiere, die bereits einen Pass hätten abgeben müssen.
Auch der innenpolitische Sprecher der SPD, Michael Hartmann, sieht bei den sogenannten Altfällen noch "Diskussionsbedarf", wie er unserer Zeitung erklärte. Dies sei jetzt im "parlamentarischen Verfahren" zu regeln. Auch sonst hielt sich Hartmanns Begeisterung in Grenzen: "Es ist nicht unsere Wunschliste, die da erfüllt wurde, aber auch die Union hat vieles nur unter Schmerzen zugestanden".
Der CSU-Politiker Stephan Mayer bemängelte, dass künftig ein bloßer Schulbesuch in Deutschland für den Doppelpass ausreichen soll, aber der Schulerfolg keine Rolle spielt.
Und dann sind da noch die drei SPD-mitregierten Bundesländer Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz, die im Bundesrat einen Gesetzentwurf zur völligen Abschaffung der Optionspflicht eingebracht haben. Zumindest der Kieler Regierungschef Torsten Albig (SPD) will an dieser Maxime festhalten. Der jetzt gefundene Kompromiss sei "sehr unbefriedigend", sagt Albig.

Über die Formulierungen zur doppelten Staatsbürgerschaft war beim schwarz-roten Koalitionsvertrag im vorigen Herbst besonders hart gerungen worden. Stehen doch die Sozialdemokraten bis heute auf dem Standpunkt, dass allein die Geburt eines Kindes ausländischer Eltern in Deutschland ausreicht, um automatisch einen deutschen Pass zu erhalten, zusätzlich zu dem der Eltern.
Dagegen vertritt man in der Union die Ansicht, dass sich die Menschen letztlich nur einem Land zugehörig fühlen können und sich entscheiden müssen.

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