Europäer und Afrikaner liegen im Clinch

Malta · Die EU-Staats- und Regierungschefs treffen in dieser Woche Vertreter von 35 afrikanischen Staaten, um einen Aktionsplan zu verabschieden. Die EU will unter anderem mehr Armutsmigranten und abgelehnte Asylbewerber in ihre afrikanischen Heimatländer abschieben.

Malta. Die Insel Malta als Veranstaltungsort hat Symbolcharakter: Quasi in der Mitte treffen sich die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union mit ihren afrikanischen Kollegen, wenn sie am Mittwoch und Donnerstag in der Hauptstadt Valletta des kleinsten EU-Staates zusammenkommen. Ziel der Veranstaltung ist es, ein gemeinsames Vorgehen zu vereinbaren, um der Flüchtlingskrise Herr zu werden, in deren Mittelpunkt Somalier, Eritreer, Nigerianer oder Libyer schon standen, als der Exodus der Syrer aus ihrem kriegsgeschundenen Heimatland noch gar nicht begonnen hatte.
Das Gipfeltreffen, das im Mai nach den vielen tödlichen Bootsunglücken im Mittelmeer angesetzt worden war, ist jedoch alles andere als ein Selbstläufer. Vielmehr scheint ein Scheitern durchaus möglich. So belegen Protokolle der jüngsten Vorbereitungssitzung und einer anschließenden Botschaftersitzung in Brüssel, die dieser Zeitung vorliegen, dass es zwischen der europäischen und der afrikanischen Seite mehrere Streitpunkte gibt, die es in sich haben. "Eine Reihe von Aspekten, die schon zuvor als strittig eingestuft wurden, bleiben es", heißt es in einem Papier der Luxemburger Ratspräsidentschaft.
Besonders schmerzt die Europäer, dass ihnen eine "Militarisierung des Mittelmeers" vorgehalten wird. Dies bezieht sich auf den Einsatz einer EU-Flotte in internationalen Gewässern, um Boote von Schleppern nach der Rettung der an Bord befindlichen Flüchtlinge zu zerstören - die Gemeinschaft arbeitet zudem daran, ein Mandat für eine Ausweitung des Einsatzes vor der Küste Libyens zu bekommen. Die afrikanische Seite lehnt daher jeden Verweis auf die Mittelmeer-Operation im Aktionsplan oder in der Abschlusserklärung ab, die am Ende des Gipfels stehen sollen - die europäische wiederum will nicht davon abrücken.
Politisch noch brisanter ist, dass mehrere afrikanische Regierungen sich nicht verpflichten wollen, in Europa abgelehnte Asylbewerber wieder aufzunehmen - also Abschiebungen in ihre Länder automatisch zuzulassen. Laut Pierre Vimont, von EU-Ratschef Donald Tusk zum obersten Gipfelemissär erkoren, stehen viele afrikanische Staats- und Regierungschefs innenpolitisch unter Druck - angeblich weil Schleuserbanden in den sozialen Netzwerken eine entsprechende Kampagne gestartet haben. Für die EU jedoch sind die Rückführungen "zentrales Thema des Gipfels", wie Silberberg weiter schreibt. Großbritannien, Österreich, Finnland, Slowenien, Spanien und Malta "bezeichneten einen Verweis lediglich auf freiwillige Rückkehr als nicht akzeptabel". Stattessen wollen manche Länder Afrikas - in den Protokollen ist nur von den "üblichen Verdächtigen" die Rede - von den Europäern mehr Angebote zur legalen Einreise ihrer Bürger sehen. Sogar von festen Quoten ist die Rede, was mehrere EU-Staaten rundheraus ablehnen. Als Kompromiss bietet die Gemeinschaft an, dass diesbezügliche Angebote einzelner Mitgliedstaaten zu einem Gesamtangebot zusammengefasst werden könnten. Von Zahlen ist hier jedoch noch keine Rede.
Doch es gibt noch ein weiteres heißes Eisen, an dem sich die Teilnehmer die Finger verbrennen könnten: Die EU will, dass die afrikanischen Transitstaaten Migrationszentren errichten, in denen die Flüchtlinge registriert und womöglich an der Weiterreise gehindert werden - und sei es nur, in dem ihnen ein Leben in der EU möglichst unschmackhaft dargestellt wird. "Obwohl der Aktionsplan nur ein Nachdenken über dieses Konzept enthält, ist klar, dass es manche afrikanische Partner ganz aus dem Text streichen wollen", heißt es in dem vertraulichen Luxemburger Papier.
Vor diesem Hintergrund ist selbst der unstrittigste Punkt in Misskredit geraten: Am Donnerstagmorgen soll die Gründungsakte für einen neuen EU-Afrika-Fonds unterschrieben werden. Mit 1,8 Milliarden Euro sollen Projekte gefördert werden, die jungen Menschen eine Bleibeperspektive in Afrika eröffnen und die Flucht nach Europa überflüssig machen sollen.

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